Die Traubenlese ist vorbei! Im Keller wird nun über Jahre das, was wir alle - vor allem auch die Wimmlerinnen und Wimmler erhoffen: Hervorragende Weine. Doch, das wird dauern. Das Schloss-weingut "von Tscharner" bietet dieses Jahr auf der Verkaufsliste bei den Rotweinen unter anden an: "Jeninser Blauburgunder 2015 - Jeninser Blauburgunder "Mariafeld" 2013 - Z'blau Wunder us Jenins 2014 Pinot Noir / Dioli Noir." Das heisst also: bis zu sechs Jahre Warten, bis wir die "Früchte unserer Arbeit" geniessen können.
Hier geht es zu den Alben. Es ist passwortgeschützt.es wird bei der Lese mitgeteilt und kann auch hier erfragt werden.
Erster Tag (14. Oktober 2019)
Für mich, der bei der Wümmet jeden Tag vom Unterland zu den Rebbergen im Bündnerland fährt, ist die Stimmung auf dem Weg (entlang des Walensees) von grosser Bedeutung. Darum beginnt der eine oder
andere der "Tagesberichete" mit Bildern zum Wetter, zu dem, das mich im Rebberg erwartet. Es ist keine Reportage, sondern stellt einen "Bildspaziergang" dar. Ein "Spaziergang", der
allerdings mit Arbeit - oft hart und mühsam - verknüpft ist. Hier die Einzelbilder des 1. Tages.
Zweiter Tag (15. Oktober 2019)
Schon früh unterwegs im Rebberg um die Morgenstimmung einzufangen. Heute ernteten wir in Jenins, im Grössten der Weinberge von Tscharner. Die lang-
lährigen Wimmler sind - wie jedes Jahr - wieder da... zur gleichen Arbeit, zum Erlebnis in den Rebbergen. Und - auch wie immer - die Frage: Wie gut ist ist die Entwicklung der Beeren. Viele
faule, unreife, angestochene, stiellahme Beeren, die entfernt werden müssen? Jetzt beginnt die Kleinarbeit und jede (und jeder) darf schon vom Wein träumen, den es in zwei, drei Jahren zu
geniessen gilt.
Das Album hier.
Dritter Tag (16. Oktober 2019
Nach dem Regen scheint die Sonne. Nur am Nachmittag im Rebberg. Für "Unterländer" ein zu weiter Weg, deshalb heute keine Bilder.
Vierter Tag (17. Oktober 2019)
Zum ersten Mal - für mich - wimmle in Ems. Rebberg sogar gefunden! Er liegt mitten im Dorf, wunderschön umschlossen - wie sich das gehört - mit einer Mauer. Klein- und Feinarbeit wie immer. Die
Trauben sind ganz ordentlich und mit der Sonne ist auch die Morgen-kälte weg. Ein wunderschöner Tag mit einem Mittagstisch in einer unvergleichlich schönen Pergola.
Fünfter Tag (18. Oktober 2019)
Geprägt von guter Stimmung trotz riesiger Sisyphusarbeit. Die Gewürztraminer haben uns gefordert: Stiellahm, grün, faul... nicht alle Beeren, der Rest war gut, reif, aromatisch - typisch
Gewürz-traminer. Und wie das so üblich ist - zum Mittag dann - der Gewürztraminer auf dem Tisch. Jetzt wissen wir, warum wir so manche Traube dreimal gewendet und begutachtet haben.
Solchen Gewürztraminer gibt es nur aus gutem Traubengut! An diesem Tag nur wenige Bilder. Erschöpfung des Fotografen? Hier geht es zu den einzelnen Bildern, die heruntergeladen und kommentiert werden können.
Sechster Tag (19. Oktober 2019)
Der sechste Tag - war eigentlich ein Regentag. Geregnet hat es allerdings nur wenig und am Nachmittag schien sogar die Sonne hinter den Wolken. Der Regen hat vor allem unser gemeinsames Essen im
Wingert tangiert. Kurzentschlossen zügelten wir in den Weinkeller von Reichenau und haben da den köstlichen "Spatz" verkostet. Der vom Militär her bekannte "Spatz" gehört auch zu den Traditionen
der Wimmler-Arbeit.
Siebter Tag (22. Oktober 2019)
Etwas Wehmut lag schon in der Luft. Dier Rebberg in Maienfeld mit den historischen Mauern wird aufgehoben. Er ist bereits von Wohnblocks umzingelt. Bauland! Noch einmal wimmlen wir hier -
vielleicht zum letzten Mal. Wir kommen zügig voran und geniessen den Mittags-tisch im Wingert. Am Nachmittag gehts ins benachbarte Jenins, wo - unter anderem - das "Blaue Wunder" gedeiht.
Achter Tag (23. Oktober 2019)
Es ist da, was man einen "goldenen Herbsttag" nennt. Im Wingert "Fontana" erhebt sich punkt 11.00 Uhr die Sonne über die Berge und taucht die Reben in goldes Licht. Einen halben Tag brauchen die
rund 30 Wimmlerinnen und Wimmler, um die Lese einzufahren. Dann geht es zurück zum Weisenhaus-Wingert, wo meine Bündner-Lielingsspezialität "Capuns" dem goldenen Tag die goldene Krone aufsetzt.
Neunter Tag (24. Oktober 2019)
Schon fast zwei Wochen dauert jetzt das Wimmeln. Heute der doch eher steile Hang von Felsberg. Wunderbare Aussicht, vor allem in den obersten Reihen. Es ist ein aufwändiges Wimmle, der Ertrag
nicht gross. So richtig fröhliche Gesichter sieht man erst beim Essen im Feld. Heute nur wenig Bilder. Vieles wiederholt sich. Doch die Einmaligkeit des Rebbergs mit seinen auf dem ganzen Hang
verstreuten Wimmlerinnen und Wimmler sei hier dokumentiert.
Zehnter Tag (25. Oktober 2019)
Heute geht es an jene Trauben, die den besten Wein im Hause von Tscharner geben: "Die alten Reben". Im Weinland Frankreich sagt man, "vin haut de gamme". Das Bewusstsein für Qualität spornt alle
an, im Rebberg. möglichst perfekte Lese. So wird das Wimmeln wie ein Besuch beim Juvelier. Ab und zu muss man auch eine Beere in den Mund nehmen und andächtig geniessen: Welch eine Aromatik! Die
Weinvorfreuden sind da!
Elfter Tag (26. Oktober 2019)
Samstag ist's - ein herrlicher Herbsttag. Wir sind im Churer Lochert, fast mitten in der Stadt Chur. Es gibt noch viel zu tun, wohl noch zwei weitere Erntetage hier. Es zeigen sich - bei den
unermüdlich im Einsatz stehenden Wimmlern - leichte Ermüdungserscheinungen. Auch die Winzerfamilie und die Belegschaft brauchen einen, zwei Ruhetage. Da kommt der Sonntag - und das angekündigte
schlechte Wetter gerade recht. Heute kein Album, nur ein Blld.
Das Bild: 11. Tag
Zwölfter Tag (31. Oktober 2019)
Drei Tage hat die Arbeit im Rebberg geruht. Jetzt - am letzten Tag im Oktober - geht das Wimmeln weiter. Der "Pinot-Gris" muss eingebracht werden und auch der Pinot-Klon "Mariafeld". Es ist kalt
geworden und Wolken hängen in den Bergen. Doch nach drei Regentagen ist man froh, wenn die diesjährige Lese langsam zu Ende geht. "Auf, zum letzten Beerengefecht!"
Dreizehnter Tag (01. November 2019)
Morgen soll es vorbei sein, das Wimmle 2019. Doch heute ist für uns der letzte Tag. Morgen müssen wir passen, das Leben und der Alltag zu Hause gehen weiter. Der letzte Tag für die recht grosse
Wimmler-Gruppe (täglich ca. 30 Leute) ist immer ein besonderer Anlass. Vierzehn Tage war man zusammen, in einer Gemeinschaft, die es jedes Jahr nur einmal gibt, im Herbst zur Erntezeit. Und die
oft mühselige Kleinarbeit wird jeden Tag "gekrönt" durch ein Déjeuner sur l'herbe. Einmalig! Au revoir 2020.
25. Oktober 2019
Beitrag in der Sendung
Telesquard von 25. Oktober 2019
(Der Pinot Noir von Domat-Ems)
von Patrick Capaul
Länge: 4 min. 07 sec.
Sprache: Rätoromanisch
Die Senung ist untertitelt. Um die Untertitel sichtbar zu machen; Klick auf das Zeichen Einstellungen (links unten im Bild) und da Klick auf "Suttitel" - Deutsch.
Die Sendung kann auch als Podcast herunter geladen werden. ()Wird in einigen Tagen aufgeschaltet)
18. Oktober 2019
Keine vollständige Chronik
Doch ich werde hier in der nächsten Zeit ein paar Wimmle-Jahränge einstellen. Zur Erinnerung und zur Dokumentation, wie wir alle jedes Jahr jünger werden! Die ersten Bilder - vor fast zwanzig Jahren - waren noch analog und müssen deshalb zuerst digitalisiert werden. Damals habe ich auch noch nicht so heftig fotografiert.
Hier als eine der ersten Stationen: 2004, vor allem im "Lochert". Und was könnte es anders sein? "Schiller" zum Aperitif. Einige der damaligen Wimmlerinnen und Wimmler leben nur noch in unserer
Erinnerung. Und die, welche heute noch dabei sein können, sind auch deutlich älter geworden. Doch die Stimmung ist noch die gleiche, aber schaut euch selber die Bilder an.
Ich werde nun - je nach verfügbarer Zeit und mobilisierbaren Kräften - weitere Jahrgänge einstellen und auch den einen oder anderen Text von damals wieder hervorholen.
Damals schrieb ich noch regelmässig eine Kolumne bei "Wein Plus", dem grössten digitalen Weinmagazin in deutscher Sprache. Auch da ist das Wimmle öfter zur Sprache gekommen, selbst wenn die
Deutschen (damals) nicht viel anderes als Riesling buchstabieren konnten.
Hier geht es zum Album
2004
28. Oktober 2014
Wimmle 2014
Als zweites Erinnerungsalbum stelle ich heute eine Auswahl der Bilder aus dem Jahr 2014 - also vor fünf Jahren - hier ein. Das Wimmle begann damals am 10. Oktober und wurde am 28. Oktober abgeschlossen. Wer damals schon dabei war, kann feststellen, wie sehr er oder sie in den fünf Jahren "geatert" hat. Viel Vergnügen bei den Erinnerungen.
Diese Bildgeschichte, aufgeteilt auf die neun Tage (immer 20 Bilder) - stammt aus dem Jahr 2014. Das Wimmle begann am 10. Oktober und endete am 28. Oktober. Es ist eine der 16 Reportagen, die ich seit 2002 vom Wimmeln bei Gian-Battista bisher gemacht habe. Die Reportage von 2006 ist ebenfalls hier eingestellt. Die ersten drei Jahre habe ich leider nicht systematisch im Bild festgehalten.
Auch die übrigen 14 Alben werde ich - stark reduziert - gelegentlich hier nochmals einstellen, wie auch einige weitere Feuilletons, die ich in den Jahren nach 2000 im Online-Forum "Wein Plus" publiziert habe und die sich alle um das Wimmeln hier bei Gian-Battista drehen.
06. Dezember 2005
Aus dem Weinachiv
Kolumne im Oneline-Magazin
Wein-Plus
von Peter Züllig
Thema: Stiellahm
Dies war die erste Kolumne, welche ich im Online-Magazin "Wein-Plus" geschrieben habe. Es sollten in den folgenden knapp zehn Jahren mehr als 200 Beiträge werden. Oft habe ich in diesem deutschen Forum über Schweizerweine - und natürlich auch über das "Wimmeln" geschrieben. Ich werde drei oder vier dieser Beiträge in den nächsten Tagen hier einstellen. Die erste Kolumne ist noch ohne Bilder.
Darf oder muss ich mich vorstellen? Journalist, leidenschaftlicher Sammler, Dokumentarist, Weinliebhaber, Statistiker, Genießer..... Bis vor einem Jahr habe ich im Forum von Wein-Plus oft geschrieben, weit über 300 Beiträge. Vielleicht waren sie allzu lange, oft maßlos, vielleicht auch nur getrieben, von dem, was ich täglich rund um den Wein gerade erlebe oder erlebt habe: Anekdoten, Neuigkeiten, Erfahrungen.
Ich habe erzählt vom Bordelais, von meiner Lieblingsregion, dem Languedoc, meiner zweiten Heimat, von der Schweiz, wo meine Wurzeln sind. Ich habe geschrieben über Deutschland, wo ich (durch das Forum) die besten Freunde gefunden habe, die Pfalz, Weinfranken, Rheingau, wo wir auf Erkundungsfahrten Weine, Kultur, vor allem aber Menschen getroffen haben.
Ich verbinde Leben immer mit „Erleben”. Auch beim Wein. Da halte ich es mit Marvin R. Shanken, dem Herausgeber von „Wine Spectator”: „There’s one fundamental difference between a causal wine consumer and a true wine lover: the former drinks, the later tastes.” (Oktober 2005)
Versuchen, Kosten, Erleben, Erfahren - mit dem Wein leben - , und darüber nachdenken oder einfach erzählen: Geschichten erzählen, dies werde ich fortan hier in einer Kolumne regelmässig tun. Etwa immer in gleicher Länge, in der gleicher Form, aber mit andern Inhalten. Dabei geht es mir nicht ums Werten, Richten, Recht zu haben oder gar Recht zu bekommen. Ich weiß vieles (noch) nicht, aber das, was ich schreibe habe ich immer selber erfahren. Erfahrungen sind subjektiv, deshalb aber nicht weniger wahr! Wir können eben Welt - auch die Weinwelt - letztlich zwar definieren, beschreiben, aber nur subjektiv erleben.
Eben so, wie ich zum Beispiel auch diesen Herbst wieder Tage in den Rebbergen der „Bündner-Herrschaft” (Ostschweiz) erlebt habe, wo wohl die besten „Pinot Noir” der Schweiz wachsen. „Wimmlen”, sagt der Bündner - und meint nicht bloß die „Traubenernte”, sondern verbindet damit auch seine ganze Liebe zur Rebe und den Wein. „Wimmle” ist nicht nur Lese, es ist Auslese. Die guten Beeren werden von den schlechten getrennt. Traube um Traube, Beere um Beere. Nur so kann schließlich jener Pinot werden, der eben zu den besten gehört. Dabei habe ich dieses Jahr einen - für mich - neuen Begriff haut- und handnah kennen gelernt: „stiellahm” - in der Wein-Literatur auch Stiellähme oder Traubenwelke genannt. Winzer und Oenologen kennen das Phänomen, doch welcher Weingenießer kann damit auch etwas anfangen?
Darüber habe ich im Weinberg - am Fuße der mächtigen Bündnerberge - mit Trauben in den Händen nachgedacht. Stiellahm? Oder gar stillahm? Bisher habe ich als Weintrinker und Journalist nur „Stilarmut”, „Stil-schwäche” oder eben auch „Stillähme” gekannt, und zwar beim Wein, aber auch in manchem Gerede und Geschreibe über den Wein.
So bin ich froh, dass ich jetzt auch den Buchstaben „e” im Wort „Stil” entdeckt habe: also die Stiellähme. Hoffentlich werden fortan meine Wein-Notizen dadurch auch stilvoller.
Herzlich Ihr/Euer
Peter (Züllig)
27. Oktober 2006
Schweizer Pinot nannte man früher abfällig "Beerliwein"
Heute lässt er sich durchaus mit den besten Weinen der Welt messen
Kolumne von Peter Züllig
im Weinmagazin Wein-Plus.eu
am 27. Oktober 2006
Heute habe ich keinen Bordeaux, sondern ein einheimisches Gewächs aus dem Keller geholt: einen Jeninser Blau-burgunder aus dem Tscharnergut. Und dies hat seinen guten Grund. Heute - wo ich diese Kolumne schreibe - bin ich bereits drei Tage lang im Rebberg bei der Traubenlese dabei gewesen. Es schmerzt der Rücken, es brennen die Hände, die Rebschere hat ihre Spuren hinterlassen.
Trotzdem, es kommt ein Glücksgefühl auf, nämlich das einzubringen, was schon in ein, zwei Jahren höchsten Genuss bereiten kann: einen der besten Pinot Noir der Schweiz, aus einem Rebgebiet in Nordbünden, wo wir auch auf die Reben von Gantenbein, Marugg, Fromm, Grünenfelder stoßen.
Die Bündner Herrschaft ist ein ganz spezielles Weingebiet: es liegt über dem noch ganz jungen Rhein und wird begünstigt von einem warmen Bergwind, dem Föhn.
Im Herbst, wenn das Mittelland in einem fast undurchdringlichen Nebelmeer versinkt, scheint in den vier Weindörfern Fläsch, Maienfeld, Jenins und Malans sehr oft die Sonne, sie „kocht" die Trauben, die im höchstgelegenen der vier Orte - in Jenins (635 Meter über Meer) - meist zuletzt geerntet werden. Hier in der Bündner Herrschaft wachsen auf rund 260 Hektaren gut 90 Prozent Blauburgunder-Reben oder eben - wie wir lieber sagen - Pinot Noir.Es ist ein verhältnismäßig kompaktes Rebgebiet, nicht sehr steil, daher gut zu bewirtschaften. Dabei sind die Böden der vier Gemeinden recht unterschiedlich: In Maienfeld (dem „Heididorf") besteht er vor allem aus phosphorreichem Mergel, in Fläsch ist der Boden eher lehmig, in Jenins und Malans sind es magerer Kalk und Schiefer. Dadurch entstehen - für den Kenner erfassbar - durch die Lagen deutliche Unterschiede bei den Weinen, zumindest so lange sie später nicht allzu „überholzt" werden. Auf der Etikette der Roten steht deshalb in der Regel auch das
Herkunftsdorf.
Typisch für die Schweiz sind die vielen kleinen Rebbergbesitzer, die weit weniger als ein Hektar bebauen. Neben dem Hauptberuf pflegen im Kanton Graubünden (Gesamtrebbestand: ca. 420 Hektaren) immerhin 250 Winzer ihre Kleinstweinberge, während 40 vollberufliche Winzer je zwischen 3 und 10 Hektaren bewirtschaften.
Doch davon möchte ich jetzt nicht weiter erzählen, sondern vom „Wimmle" in der Herrschaft, wie es Weinfreunde und -geniesser erleben können.
Vor drei Tagen hat der Winzer mit der Lese begonnen und uns - wie immer - recht kurzfristig „aufgeboten" . Als erster empfängt uns „Bacchus", der kleine, aufmerksame und meist auch ordentlich laute Dackel des Winzers, dann ist er es selber, mitunter auch sehr laut, bestimmt, herzlich: eben wie ein seiner Sache ganz sicherer Feldherr. Allein schon seine Gestalt und seine bestimmten Anweisungen schaffen Voraussetzungen, unter denen man exakt, „pingeliggenau", mit den nötigen Instruktionen versehen, mit Kiste und Schere bewaffnet durch die langen Reb-Reihen zieht.
Es ist eine wunderschöne Arbeit, die reifen, vollen, süßen Trauben in den Händen zu halten. In den Händen, die rasch klebrig werden, denn die unreifen Beeren und die Faulen und die Zurück-gebliebenen müssen entfernt werden. Das sieht oft aus, als ob man Fische ausnehmen würde, nur die Farbe und der süßliche Duft erinnern immer daran, dass es hier um Trauben geht.
Es ist auch nicht immer ganz einfach, das Winzerlatein zu erfassen, geschweige denn zu verstehen. Letztes Jahr waren es die stiellahmen Dolden, die uns Mühe bereiteten, diesmal sind es die „Sekundärtriebe". Ich bin schon gespannt, was es das nächste Jahr sein wird.
Höhepunkt eines jeden „Wimmle-Tages" ist das Essen im Freien unter den stolzen Bündner- und St.Galler-Bergen.
Nach vier anstrengenden Stunden winkt der Aperitif: Natürlich ein Weißer aus dem Tscharner-Gut. Ja, es werden hier auch Weissweine angebaut. Dieses Jahr beginnt die Lese sogar mit Chardonnay und Pinot blanc, unten im Heididorf Maienfeld. Erst dann geht’s hinauf nach Jenins, wo hauptsächlich der Blauburgunder wächst.
Aus einer erstklassigen Küche wird jeden Tag ein Eintopf angeliefert: Nie schmeckt mir ein Essen und ein Wein so gut wie hier oben im Bündnerland, mitten in den Reben.
Eigentlich müsste jeder begeisterte Weintrinker ein paar Wochen im Rebberg arbeiten, bei der Lese dabei sein... Erst dann darf er über ein Gewächs urteilen und seine Kommentare abgeben. Arbeiten in einem Winzer-Betrieb, wie es die meisten in der Schweiz sind: familiär. Wo nicht Arbeiter. aus Polen oder Rumänien zur Lese eingeschleust werden, sondern der Winzer mit seiner Familie, seinen Freunden, Bekannten, mit Rentnern, Hausfrauen, Feriengästen, Weinfreunden, Festangestellten selber Hand anlegt, ohne das Feld auch nur einmal zu verlassen und dauernd die Arbeit der kleinen, freiwilligen Kompanie zu überprüfen und zu dirigieren. Es sind in der Regel immerhin etwa dreißig Personen.
So sieht die Weinernte eben aus, in einem typischen, guten schweizerischen Winzerbetrieb!
Jetzt - wo beim Schreiben die Müdigkeit nach der Tagesarbeit langsam hochkriecht - da brauche ich einen guten Schluck Pinot Noir, Jeninser. Er ist doppelt und dreimal so gut, wie an jedem andern Tag, vor allem gibt er Kraft, dem in den nächsten sechs bis zehn Tagen mit dem gleichen Hochgefühl zu begegnen.
Prost, herzlich
Ihr/Euer
Peter (Züllig)