Getrunken 7. Teil (ab Dezember 2023 bis...) aktuell

Vorbemerkung:

Dies ist der zweite der sechs Delinat-Weine, die ich verkoste und hier darüber berichte. Er kommt aus einem der ältesten Weingebiete des Duero, aus Alto Douro (Portugal), wo vor allem Portweine gemacht werden. Hier hat der Fluss einen tiefen Graben in den Schiefer geschlagen. Auf den Terrassen der beiden Seiten wachsen Reben, mit vielen alten, auch lokalen Sorten, wie Touriga Franca oder Touriga Nacional. Rebsorten, die lange Zeit fast ausschliesslich zu Portweinen verarbeitet wurden. Kein Wunder, hat sich die Sparte «Bio-Weine» solche Weinberge ausgesucht, die im «internationalen» Geschmacksempfinden die Ausnahme verkörpern, das eher Unbekannte. Man möchte sich ja – nicht nur durch biologischen Anbau – auch im Geschmacksbild deutlich abgrenzen vom Mainstream. Es ist ein Problem der zertifizierten Bio-Weine, dass sie – wenn sie gut gemacht sind – geschmacklich kaum von Nicht-Bio-Weinen zu unterscheiden ist, dass ihre Vorteile «nur» in der Schonung der Natur und beim naturnahen Anbau liegen. Man leistet sich quasi etwas Natürliches, «Gesundes». Wobei diese Zusatzleistung nicht so genau zu definieren ist. Was ist «Bio», wo beginnt es, wo hat es seine Grenzen. Delinat führte deshalb mit dem Label «Weinbergschnecke» eigene Bio-Richtlinien ein.

Der Wein

De Wein ist wirklich anders als die vielen, (auch) jungen Weine, die ich je im Glas hatte. Unbeschwerter würde ich sagen. Jugendlich also, doch dies sind auch viele andere junge Weine auch. Sind es die Rebsorten, ist es der Ausbau, die traditionelle Verarbeitung, oder, die ihn so «anders» machen? Ich weiss es nicht. Es gibt auch kaum Vergleiche, die ich einfach so aus dem Kopf zitieren könnte. Dieser Wein steht für sich, lässt sich nicht so einfach einordnen, weder durch die verwendeten Rebsorten noch durch das, was man gemeinhin das Terroir bezeichnet. Welchen Anteil hat die Verarbeitung? Hier wird noch weitgehend mit altertümlichen Methoden gearbeitet.  Das Resultat aber ist «modern», irgendwie frech (aber nicht unartig). Auch als sehr junger Wein erstaunlich samtig, weich und trotzdem frech und herausfordernd.

(printscreen:Go Travel Planet)
(printscreen:Go Travel Planet)

Fazit:

Es ist der jüngste Wein, aber auch der beste, der bisher vorgestellten Delinat-Weine. Warum? Weil er trotz seiner Ausgewogenheit und (spürbaren) Tiefe, etwas Neues präsentiert, etwas, das frischer wirkt, dem man die «Natur» glaubt und trotzdem nicht die leichte Naivität so vieler Bio-Weine ausstrahlt. Irgendwie steckt da die Unbekümmertheit der Jugend drin. Vielleicht ist es auch nur der Wille, das natürlich Gute nicht durch Moden und Modisches zu ersticken.

04. Januar 2024

 

Mas Igneus: Bunicu 2013, Priorat, Gratallops, Katalonien, Spanien

Vorbemerkung

Bioweine sind im Trend. Selbst im ultrakonservativen Bordelais hat ein Umdenken begonnen. Vieles ist «Bio» was – je nach Auffassung, Vorschriften und Zertifikaten – kaum oder noch lange nicht «bio» sein kann. Eines der ersten Weingeschäfte mit dem Label «Bio» war «Delinat», gestartet in den 80er Jahren, inzwischen gewachsen und auch im Internet präsent. Ich habe diese Entwicklung aufmerksam verfolgt. Als Journalist und Kolumnist beim grössten Weinmagazin und -forum im Internet (www.wein-plus.eu) und als Veranstalter von Wein-Degustationen wollte ich (etwas kurzfristig) zwei, drei Bio-Weine (als Vergleich) in meine Degustation einbauen. Weine, die «Delinat» im Programm hatte. Trotz langen Telefonaten und Bereitschaft, alle Mehrarbeit und Mehrkosten zu übernehmen, schaffte ich es nicht, die Weine noch rechtzeitig zu bekommen. Der Anlass musste ohne Delinat-Weine über die Bühne gehen (die Bio-Weine waren Wunsch von Teilnehmerinnen und Teilnehmer). Ein damals noch junges Unternehmen hat dadurch meine Sympathien für Bio-Weine abgewürgt. Diese doch recht rüde Abweisung mag ein zufälliger Fehler (oder ein Versagen) eines Mitarbeiters bei «Delinat» gewesen sein. Doch meine Reaktion als Weinvermittler war eindeutig: ich habe seither nie mehr einen Delinat-Wein bestellt, gekauft, begutachtet oder/und beschrieben. Jetzt, nach bald zwanzig Jahren, lagen unerwartet sechs Bio-Weine unter dem Weihnachtsbaum. Ein Geschenk von Freunden, alle bei «Delinat» gekauft . Da habe ich mir zum Ziel gesetzt diese sechs Bio-Weine (möglichst kurz hintereinander) zu trinken, degustieren und beschreiben. So die Geschichte eines lange hinausgezögerten Ausflugs, in eine «Weinwelt», die ich bisher mehr oder weniger gemieden habe, auch in meinen weit über zweitausend Weinbes-prechungen der letzten Jahre. Heute beginne ich mit einem Wein aus dem Priorat.

(Bild: Delinat)
(Bild: Delinat)

Der Wein

Warum zuerst Priorat? Seit einigen Jahren beschäftige ich mich etwas intensiver mit diesem speziellen, spanischen Weingebiet. Ich habe vor einiger Zeit nicht nur eine Weinreise durch die alte, in den letzten Jahren wieder entdeckte Weingegend gemacht. Ich habe auch mehrere Priorat-Winzer getroffen und intensiv mit unserem Freund, dem «Priorat-Hammer» (Kenner und Anbieter von Priorat-Weinen in Deutschland), diskutiert. Seine Empfehlungen haben mir ein neues, oder  «anderes» Weinerlebnis erschlossen und meine Liebe zur Rebsorte «Garnacha» (Grenache noir) gefestigt. Grenache ist in vielen Weinen im Priorat «tonangebend und nicht selten in unglaublichen «Vollendung». Tatsächlich hat auch dieser Wein einen grossen Anteil an «Garnacha» (ca. 30%), aber auch an Merlot, Carignan und Syrah.

https://www.masigneus.com
https://www.masigneus.com

Dies ist ein Traubenmixt, wie ich ihn bereit aus der Languedoc kenne (und liebe). (Im Süden Frankreichs allerdings ohne Merlot). Auffällig (und auch das Besondere) ist an diesem Wein, sein Alter: Zehnjährig. Die Flaschenreifung hat aus ihm einen harmonischen, fast schon lieblichen Wein gemacht. Anstatt einem kräftigen, alkoholstarken Katalanen, begegnen wir einer etwas schüchternen Schönheit, und zwar aus einer Weingegend, die viel mehr zu geben hat. Viel mehr an Persönlichkeit und Charakter, als dieser Wein bereit ist zu geben. Er ist zwar nicht unelegant, aber sehr harmoniesüchtig und geschmeidig. Frucht ist – auch nach zehn Jahren – noch da, auch der Boden (Schiefer) hat Spuren hinterlassen und das Holz (Barrique) ist wohltuend integriert. Doch es kommt mir vor, als müssten diese  Spuren alle verwischt werden.

Fazit 

Ein sehr verbindlicher Wein, dessen Stärke in der Abgeklärtheit und Harmonie seines Alters liegt. Orientalische Gewürze, Pfeffer, Tabak, Vanille und rote Beeren: all dies ist spür- und wahrnehmbar. Daraus kann aber wenig, zu wenig Kraft und Eigenständigkeit entwickelt werden.

© Photo: Eva Goutorbe
© Photo: Eva Goutorbe

27. Dezember 2023

 

Henri Bonneau & fils: Cuvée Marie Beurrier, 2003, Châteauneuf-du-Pape, (Vaucluse), Rhône, Frankreich

 

 

 Eine Legende

Vorbemerkung :

 Am 11. Januar 2006 schrieb ich – nach einer denkwürdigen Bonneau-Verkostung in Graz – der vierten, von insgesamt 227 Weinkolumnen im Weinmagazin «Wein-plus»: «So wie jeder Jäger seine schönsten Erlebnisse in schmuckvollem Jägerlatein immer wieder zum Besten gibt, so schwärmt auch der Weinliebhaber oft und gerne von seinen „großen” Verkostungen… Bei mir sind es schon einige dieser „unvergesslichen” Erlebnisse… Es sind die Stunden und Minuten, in denen der Sinn eines Weindaseins in Erfüllung geht. Sein alleiniger Zweck, dem Menschen, dem Genießer, aller höchste Lust zu bereiten und dann abzutreten aus dem irdischen Wein-Dasein».

Photo: © Maika.fr
Photo: © Maika.fr

Damals – es sind inzwischen bald zwanzig Jahre vergangen – wagte ich noch nicht, die Weine von Henri Bonneau zu beschreiben, oder gar – welche Anmassung - zu bewerten. Sie waren die für mich die Weinwerdung eines Mythos, voll Geheimnisse, umrankt auch von Legenden. Weine eines Winzers, die nie so richtig zu fassen waren. Sie gehörten auch zu den rarsten Weinen, denen ich auf meinen "Weintouren" begegnet bin. So kam es, dass ich seit jener Verkostung nie mehr einen Bonneau-Wein getrunken habe. (Das kleine Weingut (6 ha) produziert fünf verschiedene Weine, darunter die «Cuvée Marie Beurrier» (Name der Tante von Bonneaus Frau)). 

Es gibt wohl keinen anderen – weltweit berühmten – Winzer, der sein Image als Traditionalist und eigenwilliger Weinmacher bis zu seinem Tod (2016) aufrechterhalten und gepflegt hat. «Weine zu bereiten sei ein Handwerk, dass viel mit Gefühl und Gespür zu tun habe. Alles was es dazu benötigt, lernte er von seinem Vater und dieser wiederum vom Grossvater. So werde das Wissen, auf seinem im 17. Jahrhundert gegründeten Weingut in Châteauneuf du Pape, seit zwölf Generationen weitergegeben. Es erübrigen sich Fragen, nach Zusammensetzung, Ausbau oder Verkauf der Weine. Alles passiert gefühlsmässig.» (Zitat: mybestwine.ch) Persönlich habe ich den Weinmystiker nie kennen gelernt, auch seine Weine – mit Ausnahme der einen Verkostung – nicht. Ihre Strahlkraft versteckte sich in vielen, vielen Erzählungen und Geschichten.

Der Wein

Jetzt war es – unerwartet – so weit. An einer der letzten Weinauktion (Weinbörse 107) tauchte Lot 1218 auf, zwei Flaschen «Cuvée Marie Beurrier», Schätzpreis 240-360 CHF, Zuschlag 320 CHF. Und die beiden Flaschen gehörten uns. Der erste Bonneau seit 18 Jahren. Der spontane Entschluss war sofort klar: Die Flasche wird an Weihnachten – am «Heiligen Abend» – geöffnet und getrunken. So ist es gekommen, dass Weihnachten 2023 zum Weinereignis geworden. Ein zwanzigjähriger Wein aus einem der berühmtesten Kelle in Châteauneuf-du-Pape. Diesmal wage ich eine Beschreibung, sogar eine Art von Wertung. Keine Parker-Punkte, die sind mir für diesen Wein zu starr, zu apodiktisch. Ein Mythos, eine Legende lässt sich nur schwer in Noten und Punkte fassen. 

Es ist die Freude, die Strahlkraft, das Ereignis, welches in diesem Augenblick zählt. Die Fähigkeit eines Winzers einen grossartigen Wein in die Flasche «zu zaubern», einen Wein, der seinen Schöpfer um sieben Jahre überlebt hat. Einen Wein, der ganz anders ist, als die Weine aus dem Bordelais und sich kaum an übliche Regeln hält. Isabel Ferrando (Domaine Saint-Préfer) sagte in einer Würdigung: „Henri war lustig, schelmisch, frech, ein großartiger Mann, zärtlich und sehr provenzalisch. Seine Modernität verbarg sich in seinem enzyklopädischen Wissen über Wein, Kellerarbeit und Reben.“ Dem Menschen Henri Bonneau bin ich leider nie begegnet, dafür jetzt einem seiner Weine. Und der ist nicht viel anders, wie sein Macher beschrieben wurde: nämlich schelmisch, zärtlich und provenzalisch.

 

Fazit

Ein Wein, der sich nur schlecht vergleichen lässt. Eigenwillig, irgendwie wild und doch geschmeidig, weich und elegant, ausgewogen und ausgereift. Erstaunlich, wie viel Frucht noch immer im Gaumen – ganz hinten – festzustellen ist. In der Nase etwas getrocknete Kräuter und vor allem viel, viel vornehmes Leder. Brutal in Punkten verpackt (inklusive Mythos) 19 von 20 Punkten .