1931. Verlag Fayard, Paris. Taschenbuch
französisch, 190 Seiten (Deutsche Ausgabe: Diogenes 1986 - Kiepenheuer & Witsch 1962)
Es ist der zehnte von insgesamt 75 Maigret-Romanen und 28 Maigret-Erzählungen. Vielleicht auch nicht der typischste und nicht der allerbeste. Trotzdem, die Geschichte ist spannend, stimmungsvoll und auch heute noch "gut lesbar", vor allem in der französischen Originalsprache. Atypisch ist, dass der Handlungsort nicht in Paris, sondern Lüttich (Belgien) ist und Kommissar Maigret erst im hinteren Teil des Buchs in Erscheinung tritt. Seit 1962 erscheint der Roman im deutschen Sprachraum unter dem Titel "Maigret und der Spion". Kommissar Maigret ist eine Kunstfigur vom Autor in den 20er Jahren geschaffen und vierzig Jahre lang weiter entwickelt. Der Fokus liegt weniger auf äusseren Handlungen, als auf dem inneren Prozess Maigrets, der das Geschehen zu verstehen versucht. Den Schluss bildet ein Verhör des Kommissars, das eher einem Monolog Maigrets gleicht.
Die Frage ist berechtigt: Kann man einen Krimi, der immerhin vor 88 Jahren erstmals veröffentlicht wurde, heute noch lesen, noch ernst nehmen, noch genissen? Oder ist Maigret nur noch ein langsam verblassender Kult? Sicher es ist eine andere Welt, eine andere Suchen nach Schuldigen in einem - aus heutiger Sicht eher verstaubten Milieu. Nostalgie? Mehr nicht?
Doch! Auch wenn sich die Menschen (auch der Kommissar) gemächlich bewe-gen, die Kriminaltechnik hoffnungslos veraltet ist, wenn es da noch kein DNA und keine Computer gibt und die Autos noch langsam um die Ecke biegen...
Spannung entsteht durch die Schilderung des Milieus - und zwar immer in ein paar paar wenigen, präzisen Strichen (um die Sprache der Zeichner zu gebrauchen), mit denen eine Atmosphäre geschaffen wird, wo Schuldige und Unschuldige, Verfolgte und Verfolger zusammenleben, sich gleichsam wie in einem Puzzle bewegen, leben, atmen und handeln. Kommissar - zwar immer der "Held" - aber ein stiller Held, der versucht zu verstehen, zu begreifen, zu deuten, was er "im Namen des Gesetzes" an Gerechtigkeit wieder herzustellen hat. Da gibt es zwar Schuldige, doch die Bestrafung ist nicht das Wichtigste, auch nicht die Sühne oder die Rache. Es ist vielmehr der Alltag, welche die kleinen und grossen "Verbrechen" schluckt und in erlebbares Geschehen bettet. Wobei die List, das Verhalten und die Stimmungen letztlich entlarvend sind und zur Lösung eines "Falls" führen und nicht die technischen Raffinessen und die - in der Kriminalistik - doch oft rohe Gewalt. Umschlaggestaltung der vielen verschiedenen Ausgaben nur dieses einen Buchs kann besser illustrieren, als viele Worte, was die Welt und der Kult von Kommissar Maigret auszeichnet.
28. Juli 2019
Franz Hohler
Gleis 4
Roman
2013 Luchterhand, München, 1. Auflage
Taschenbuchausgabe 1915, 220 Seiten,
ISBN 978-3-442-74832-7
Dieses Buch – eben den Oldie - hat Franz Hohler (geboren 1943) vor sechs Jahren geschrieben, also als er selbst schon fast ein Oldie war. Im Stil eher nüchtern, ab und zu gar akribisch genau. Nur der Titel klingt
poetisch, die Sprache ist es weit weniger; gar nicht melodisch, wie viele seiner Texte. Musik ist weit weg, selbst der aufrührerisch dumpfe Bass ist verschwunden. Wortspiele findet man kaum. Das Geheimnisvolle verkriecht sich in den Inhalt, nicht - wie so oft bei Hohler - in die Sprache. Eigentlich ist es eine staubtrockene Reportage. Die Geschichte einer Frau, die als allein erziehende Mutter ein Kind grossgezogen hat, das soeben «ausgeflogen» ist, um Jus zu studieren. In ihren Träumen ein Studium, um den Schwachen dieser Welt besser beistehen zu können.
Man spürt es sogleich, Franz Hohler bewegt sich – wie so oft in seinen Büchern – in der Welt dieser Schwachen, nicht Gehörten, von Unrecht Bedrohten. Nicht larmoyant, auch nicht wutentbrannt und nicht anklägerisch. Er macht das, was er sehr gut kann: eine Geschichte erzählen. Fäden durch ein Alltagsgeschehen zu ziehen, das so ganz nebenbei abläuft, das kaum Aufsehen erregt, ab und zu sogar skurril erscheint und Ansätze für einen Kriminalfall. Kein Kriminalfall für die Polizei. Ein Kriminalfall für Menschen die mit ihrem – verborgenen – «Fall» ein Leben lang zu kämpfen, ja zu leiden haben.
Es muss nicht immer das Neuste sein, das es zu lesen gilt, quasi ein Abbild der literarischen Bestseller-Liste; es darf ruhig einmal ein Oldie, ein Buch, von dem nicht gerade gesprochen wird. Erster Ausgangspunkt für meine «Flucht zurück»: Ferien. Zweiter Ausgangspunkt: die Komödie «Cafeteria» von Hohler, die ich im Frühling im Bernhard-Theater (Zürich) verpasst habe und die im Oktober in im «Theater am Käfigturm» in Bern wieder auf dem Programm steht. Franz Hohler, der Kabarettist mit dem Bass, der zwar nicht mehr in Theatern auftreten mag und von sich selber sagt: «Ich bin ein optimistischer Pessimist». Jedenfalls ist er seit vielen Jahren unbeirrt mit Themen unterwegs, wie Zerstörung der Natur, Migration, Risiken der Atomenergie, Flüchtlingselend… Unterwegs als Autor, unterwegs als Erzähler, unterwegs als Geschichtenerzähler… Begleitet von Anfeindungen, Beschimpfungen, aber auch Akzeptanz und Bewunderung. Ein Wanderer auch, der nachdenklich durch die Schweiz zieht, durch die schöne und weniger schöne.
2019, Aufbau Verlag, Berlin
265 Seiten, ISBN 978-351-03753-6
Dem kleinen Reiter auf einem grossen, mächtigen Elefanten – vom amerikanischen Moralpsychologen Jonathan Haidt als Sinn-bild für die Macht der Gefühle in die Welt entlassen – begegnet man immer häufiger. In Amerika ist er längst ein Star, «Held» des Bestsellers «The Righteous Mind», schon 2012 erstmals erschienen. Da und dort – immer häufiger - wird er jetzt auch bei uns zitiert, wenn es darum geht, Dinge in unserer Welt zu erklären, die mit dem Verstand allein, nicht (oder nur schwer) zu begreifen sind. Beispiele das Aufkommen der Popu---listen in der Politik, die üppig wuchernden Verschwörungstheorien oder ein amerikani- scher Präsident, der sein Land wie ein Showmaster führt. Der Elefant, das riesige Tier, symbolisiert die Emotionen, das Intuitive Denken, die Gefüh-le, die Affekte. Der Reiter im Sattel hinge-gen, verkörpert die Vernunft, den reinen Verstand und er ist fest davon überzeugt, auch der Chef zu sein und das Tier zu lenken. Der Elefant aber reagiert vor allem auf jene Reize, die in ihm eine positive Reaktion hervorrufen. «Der Mensch im Sattel rationalisiert das Urteil des Elefanten und liefert nachträglich Begründungen für seine emotional gefärbten Kognitionen. Um die Wahrheit geht es da nicht, es geht darum zu begründen, um das Gefühl recht zu haben.»
"Der Elefant aber reagiert vor allem auf jene Reize, die in ihm eine positive Reaktion hervorrufen. «Der Mensch im Sattel rationalisiert das Urteil des Elefanten und liefert nachträglich Begründungen für seine emotional gefärbten Kognitionen. Um die Wahrheit geht es da nicht, es geht darum zu begründen, um das Gefühl recht zu haben.»
Aus dieser zentralen Grundthese lassen sich verschiedene Verhaltensmuster ableiten und erklären. Zum Beispiel: «Die beängstigende Macht der Wiederholung», «Warum wir Fremdes und Neues so rasch ablehnen» oder «Warum selbst offensichtliche Lügen wirken.» Der Autor des Buchs – selber Psychologe und Politwissenschafter – hat daraus so etwas wie einen Wegweiser für den täglichen Umgang mit Wahrheit und Lüge zusammengestellt.
Verständlich formuliert, plausibel begründet und mit gegen hundert präzisen Angaben von Studien und Publikationen belegt.
Die Anregung, das Buch zu lesen, kommt von einem Beitrag im Online-Magazin"Repubklik", der hier zu lesen ist. Vieles ist nicht neu, nur neu zusammengestellt, neu interpretiert, aktualisiert: «Wir leben in einer kollektiven Illusion vermeintlichen Verstehens.» Wer das Buch liest – es ist nur eines von einigen bemerkenswerten Publikationen – zum Thema «Gefühl und Wahrheit» kann sich zwar der Macht der Gefühle kaum besser erwehren, ist aber besser in der Lage, das eine oder andere zu durchschauen und bewusster zu handeln (und auch zu diskutieren!) Das Online-Magazin «Republik» hat unter dem Titel «Bauch first, Brain second» einen ausgezeichneten Beitrag von Daniel Graf veröffentlicht (mit weiteren Literatur-Angaben).
2017, Verlag Kiepenheuer & Winsch, Taschenbuch, ISBN 978-3-462-05192-6
Wenn ein fiktiver Kommissar oder eine Kommissarin erfolgreich ermittelt - ob in Büchern, im Film und natürlich im Fernsehen - entstehen rasch ganze Reihen - Krimi-Reihen. Als Konsument kommt nämlich schnell das Bedürfnis auf, nicht nur einen (meist recht komplizierten) "Fall" einmal zu begleiten, sondern dem "Helden" (in seiner speziellen Situation als Ermittler) immer wieder zu begegnen. Kommissar Maigret (von Georges Simenon) taucht immerhin im Verlauf von vierzig Jahren in 75 Romanen und 28 Erzählungen auf. Solange gibt es den Kommissar Dupin nicht. Er wurde erst 2012 von Paris in die Bretagne ("ans Ende der Welt") zwangsversetzt, wo er seither jedes Jahr einen kniffligen "Fall" zu löse hat. Dabei spielt die Landschaft, die Tradition, die Kultur, die Eigenheiten der Bretonen, die Geschichte eine weit wichtigere Rolle als die Kriminalfälle selber.
Inzwischen gibt es bereits acht Fälle, die Kommissar Dupin zu lösen hat. Sie alle spielen in der Bretagne und sie sind - nebst den kniffligen Ermittlungen, immer auch ein Loblied auf die Bretagne, die westliche Halbinsel Frankreichs, die bis weit in den Atlantik hinausreicht. Ein dritter Bereich schmuggelt sich - gar nicht nebenbei, schon eher dominant -in die Kriminalromane: Essen und Trinken in der Bretagne, eine Entdeckungsreise. Sie gipfelt in der Begegnung mit der
Bio-Bäuerin Guichard:: "Die Artischocken baue ich hinten auf dem Feldern an, auch die Petits violets. Hier im Garten ziehe ich nur alte, fas verschwun-dene Gemüsearten, die bretonischen Böden bieten dafür beste Voraussetz-ungen. Verschiedene Rüben, Pastinaken, Knollenziest, seltene Karotten", sie hielt die Karotte in ihrer Hand hoch. "Diese hier wird seit fünftausend Jahren angebaut. Die gelben und lilafarbenen Sorten sind randvoll mit Polyphenolen, Carotiniden, Vitmin A, K und Folsäure - die ordinäre orange Karotte, die man überall bekommt, ist eine künstliche industrielle Zucht und besteht nur aus Wasser."
22. Mai 2019
Peter Stamm
Ungefähre Landschaft
Roman
2002, Arche Verlag Zürich-Hamburg
heute bei Fischer, Frankfurt am Main
186 Seiten, ISBN 3-7160-2288-8
Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die hoch im Norden in einer kleinen Gemeinde lebt und nach Enttäuschungen nach dem vielzitierten "Sinn des Lebens" sucht. Gescheiterte Ehe, ein Kind, die nächste Beziehung in Brüchen, verwurzelt in einer Gegend, wo es monatelang nie Tag oder nie Nacht wird, wo meisten Menschen auf gefährlicher See vom Fischfang leben, in der Fischfabrik Arbeit
finden, wo jeder den anderen kennt, beobachtet und "bewertet", wo Schnee und Eis monatelang die Landschaft beherrschen, wo arm ist, weil der Reich-tum nicht bis hierher vordringen kann... Es ist die Geschichte, ein Porträt von Kathrine, die eines Tages ausbricht um eine geträumte, andere, grössere Welt zu erfahren, und nach drei Wochen zurück-kehrt, um zu bleiben was sie ist, was sie sein kann in einer Welt, in der es so lange dunkel und so lange hell ist, solange kalt und selten warm, fast nie heiss. Das Bild von Peter Stamm - auf der Umschlagseite -
erinnert an den jungen Autor, der 1998 mit "Agnes" den "Durch-bruch" als Schriftsteller (heute schon fast Matura-Pflichtstoff) schaffte. Auch da geht es um eine junge Frau, um Agnes, eine 25jährige Physikstudentin, die in Chicago lebt und einem älteren Schweizer-Journalisten begegnet. Lebens- und Liebesgeschichten, die ganz unterschiedlich enden und ganz unterschiedliche Fragen aufwerfen. Und doch ist die Sprache - in ihrer Erzählstruktur - die gleiche. Eine unerbittliche Wortpräzision, die jede Stimmung, jedes Gefühl aufsaugen und auch weitergeben kann.
Es ist nicht nur das Interesse am Autor, nicht nur die Faszination seiner Sprache und schon gar nicht ein Interesse an der unspektakulären Geschichte, die mich zum Buch greifen liessen. Es ist die eigene Erfahrung einer Landschaft, die Begegnung mit Menschen an der norwegischen Künste, der Einsamkeit in der Dunkelheit und Kälte des Winters "jenseits dem Polarkreises", die seit Jahrzehnten gleich getaktete Fahrten der Hurtigruten, das Hoffen und Warten auf das Polarlicht, das mich bisher so oft in den "hohen Norden" gelockt hat. Lässt sich all das in eine Geschichte - im Porträt einer Frau, die bislang noch nie über den Polarkreis hinausgekommen ist - authentisch erzählen? Kann ein Roman das öffnen, das beschreiben, das anklingen lassen, was tief im eigenen Erleben verankert ist? So quasi ein "Mitschwingen" erzeugen? Ich war mehr als skeptisch und wurde eines besseren belehrt. Er kann und er tut es, in einer Sprache, die durch ihre Form zum Erlebnisbild wird.
Das Buch - es ist das zweite, das ich in der letzten Zeit von Peter Stamm gelesen habe - fasziniert mich vor allem wegen der Sprache: präzis, kurz, knapp... Es scheint, als habe sich eine Geschichte, eine Land-schaft, Bilder in Sprache aufgelöst. Besser noch: sie sind in Sprache eingetaucht. Das ist offensichtlich die Kunst des Schrei-bens, so wie sie Peter Stamm versteht. Insofern gleichen sich beide Bücher - das eine vor einem Jahr erschienene "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt" und diese bereits 2001 herausgekommene "Ungefähre Landschaft". Und beide Male schmiegt sich die Sprache den ganz unterschiedlichen Inhalten an. Es geht zwar in beiden Büchern um eine Frau: doch in ganz anderer Umgebung, in einer ganz anderen Situationen und beheimatet in völlig anderen Lebensformen. Doch die Sprache ist die gleiche, sie "malt" nur anders, sie bringt Gedanken und Gefühle, zwei verschiedene Geschichten, in fast identischer Form in die Erzählung und schafft es - mit dem Timber, mit der Genauigkeit der Bilder, mit genauer Beschreibung - ganz andere Welten zu schaffen.
2018, Wilhelm Heyne Verlag, München
3. Auflage, ISBN 978-3-453-20150-7
"Alles ist 68" und "68" ist das aller grösste Übel der letzten 50 Jahre, letztlich Schuld an allem Bösen unserer Zeit. Und ich - Bettina Röhl - bin mitten drin gestanden, die Tochter einer "Problemmutter", welche zuerst ihre beiden Kinder und schliessslich sich selbst einer Revolution geopfert hat, und so - gemäss Bettina Röhl - zur "Ikone der (68er) Bewegung wurde." Dies die immer wieder und wiederholte Zusammen-fassung eines neuen episch ausgebreite-ten Schinkens, der immerhin 610 Seiten umfasst. Bettina Röhl ist die Tochter von Ulrike Meinhof, der RAF-Mitbegründerin, die ihre Mutter nur als kleines Mädchen gekannt (und erlebt) hat, dann aber fern von jeder Revolution, in bürgerlichsten Verhältnissen aufgewachsen ist. Bettina Röhl war war sechs Jahre alt "als es losging, in Berlin"; acht Jahre alt, als Meinhof "in den Untergrund" abtauchte; ging; 12 Jahre als sie verhaftet wurde und schliesslich 15 als sie sich das Leben nahm.
Doch da lebte Bettina Röhl längst beim Vater und ihre Mutter jahrelang nicht mehr gesehen."Es gab und gibt unendlich viele Experten zum Thema Ulrike Meinhof, 68 und RAF, jede Sekretärin des NDR schien damals besser über meine Mutter Bescheid zu wissen als ich...Die Öffentlichkeit, die Mainhof und RAF-Experten wussten mehr von meiner Mutter als ich... Ich war eine Nachgeborene, die 68 als Kind erlebt hat..." Und das ist sie geblieben, das an Jahren gross gewordene Kind von einst, das fünfzig Jahre später schreit und tobt und Terror macht, bis die Mutter durch das nächtliche Berlin gefahren ist, um dem Töchterchen (4 Jahre alt!) einen versprochenen Wunsch zu erfüllen. Was Bettina Röhl mit ihrer Mutter bis heute verbindet, das ist die gleiche Sturheit, die gleiche Verbissenheit, die gleiche Empörung und ein allumfassendes Weltbild, wo die "Pigs" (Schweine) das Sagen haben und die Revolution auszurufen ist. Nur - die Vorzeichen haben gewechselt: die Pigs sind alle Linken, die sich Veränderung einsetzen, die sich eine andere Welt als die Konsumwelt wünschen. Un noch etwas hat sich verändert: Die Waffen. Sie töten nicht mit Kugeln, mit Worten, mit abstrusen Theorien, mit einer selbstgebastelten Wirklichkeit. (Weiterlesen hier)
Eigentlich ist es tragisch, wie sich Bettina Röhl in diesem Buch gibt. Als verbissen recherchierende Journalistin, die Fakten an Fakten aneinander reiht. Und ich nehme ihr all die Fakten, Recherchen und Belege ab, selbst die Erinnerungen, die sicher dem Gedächtnis auch die ihre Mutter ichlich "nachgeliefert" wurden. Eine Mischung von dem, was man über die 68er-Bewegung heute weiss und auch belegt ist und dem, wie Frau Röhl es sehen und deuten will.
"Die Moral war fortan, bis heute, bei den Systemumstürzlern, den Helden der APO-Zeit, bei den coolen Protestlern, bei den Linksintellektuellen, auf der Welle der Bewegung mitschwammen, bei den Aus-geflippten, bei den Systemkritikern in Kunst und Kultur, in den Medien, aber auch in der öffentlichen Verwaltung, in der Justiz, bei den gewalttätigen linken Demonstranten, bei den "Empört-Euch!"-Ausrufen und heute bei den Globalisierungsgegnern, bei den Hausbe-setzern, den Gentrizierungsgegner, den Post-post-post-Feministen, den EZB-Hassern und natürlich bei den Heerscharen, die ihren "Kampf gegen rechts" entdeckt haben."
So auf Seite 258 des Buchs. Spätestens da habe ich aufgehört - nicht zu lesen, sondern das Buch ernst zu nehmen, es als Information, als Bereicherung oder gar als Belehrung zu empfinden. Immer wenn Röhl die reinen Fakten, die Zitate (am meisten zitiert sie sich selbst), die Abläufe, die Belege, die Dokumente verlässt, tritt die Ideologin Röhl, Tochter der Mainhof, auf die Bühne und macht das, was sie so heftig, so absolut und pauschal verurteilt. Was in ihren Augen alle Medien tun (mit Ausnahme der Springer-Presse) : Ideologisch geprägten Journalismus. "Ideologien haben eine starke Tendenz, sich zu verselbständigen und immer neue Impulsgeber hervorzubringen.... Ideologien haben die Tendenz, sich auszudehnen und immer mehr Felder der Politik und der Gesellschaft zu besetzten...." Absolut richtig, Frau Röhl. Lesen Sie ihr Buch, dann wissen Sie, was Schrott-Journalismus ist. Nicht die Zahlen und Fakten sind das Problem, sondern das Eintauchen, übergiessen aller (noch so gut recherchierten Sachveerhalte, in eine ideologische Sauce. Ulrike Meinhof hat dies leider gemacht (und ist untergegangen) - Sie als Tochter machen es, ganz einfach in die entgegengesetzte Richtung.
Wenn eine Autorin keine anderen Begründungen und Ursachen für gesellschaftliche und politische Ereignisse und Phänomene festmachen kann (oder will!), als "Revolution um der Revolution Willen", als zerstörerische Genen" und das Vernichten der besten aller Welten (die westliche Gesellschaft vor 1998 ("Die beste Bundesrepublik aller Zeiten", Essay I - Seite 16-21), dann kann ein nicht mehr liefern, die Feststellung, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel "spätestens seit 2011 mit ihrer Energiewende als Kopf der Schlange 68 etabliert hat."
Das einzige was ich Bettina Röhl vorwerfe, das ist nicht ihre Meinung, nicht ihre - allzu oft - abstrusen Erklärungs-versuche. ihre missionarisch vertretene Ideologie, ihre Wortwaffe, die sie gegen alles (blindwütend) einsetzt, was nur leise nach "links" gerichtet ist. Dies alles ist durchschaubar, vielleicht sogar erklärbar, mit dem Kind, das noch immer die Mutter sucht. Was ich Frau Röhl wirklich übel nehme, dass sie mir so viel spärlich gewordene Lebenszeit geraubt hat, nur weil ich glaubte, die Tochter von Ulrike Meinhof sei näher an der 68e- Bewegung gewesen und hätte dazu auch etwas zu sagen. Sie war weit weg und ist bis heute nie dort angekommen: die sinnlose Meinhof-Wut hat sie daran gehindert. Eigentlich müsste der Verlag die Lektorin es Buchs entlassen, weil sie zugelassen hat, Werk Buch zusammengeschustert wurden.
30. März 2019
Thomas Hürlimann
Heimkehr
Roman
2018,
S.Fischer Verlag,
522 Seiten, ISBN
978-3-10-031557-1
«Nichts ist wie vorher», das wusste ich, als ich den «Heimkehrer» Thomas Hürlimann zu Hand genommen habe. 522 Seiten, sein neuster Roman «Heimkehr», nach langem – mehr als zehn Jahre – krankheitsbedingtem literarischem Schweigen. Zuerst einmal ein Wiedersehen, mit den Figuren, mit den Welten, mit den Themen, die den Schweizer Schriftsteller, der so lange in Berlin «abgetaucht» war, literarisch begleiten. Allem voran der Tod. Und der ist noch «handfester» geworden, als der Tod seines Bruders in «Der grosse Kater» (1998), jetzt ist es sein Tod, dem er in sich selber begegnet. Heinrich Übel junior, Sohn eines Gummifabrikanten, verunglückt auf dem Weg in das abgelegene Tal – wo ihn sein Vater vor 20 Jahren - hinausgeworfen hat. Der Heimkehrer, der nicht heimkehren kann. Da beginnen die Turbulenzen, da beginnt das Suchen, das Erinnern. Und dies bleibt so – sowohl für Heinrich Übel junior, als auch für den Leser – bis zur letzten Zeile. Eine Achterbahn, nicht nur der Gefühle, viel mehr noch der Situationen, der Erinnerungen, der Wunderlichkeiten und Realitäten. Es ist keine «gemütliche» Achterbahn, es ist eine «verrückte», immer höher, immer steiler… und sie wird immer wieder «geerdet», um sogleich wieder zurückzukehren in eine Endlosschleife, in der man alles wieder antrifft, was Thomas Hürlimann in seinen früheren Werken hinterlassen hat: Die Lebensgeschichten, die kleinen Randfiguren, das vertraute Zürich, das verrückte Berlin, Sex, Crime, Kunst und Kitsch, Gewalt und Liebe, käufliche und erhoffte…
Ich muss hier ehrlich gestehen, ich hätte oft nicht weitergelesen, wäre es nicht Thomas Hürlimann – einer der besten Schweizer-Autoren -, der dies alles ersonnen, miteinander verknüpft und schliesslich zu Buch gebracht hat. Kaum ist man in einer der vielen Erzählungen – von der Biografie bis zum Märchen, vom Abenteuerroman bis zur Politagitation, vom Wahnsinn bis zur gesuchten Heimat – angekommen, wird man wieder ausgestossen, in einen neuen Strudel, in eine neue Geschichte geschickt.
Und dies alles in eine Sprache, die einfach, verständlich, aber immer kunstvoller ist, elegant, präzis und detailverliebt. Selbst dann, wenn Heinrich Übel seine angeblich ertrunkene Mutter in einer überdrehten Künstlerin wiederfindet, oder wenn er sich in eine Funkerin der untergehenden DDR hoffnungslos verliebt. Immer wieder werden die meisten Motive wiederholt, tauchen in anderer Funktion, in anderer Gestalt wieder auf. Wiederholung als Erzählprinzip, die Wiederholung als Konstante in einem grossen Fantasiewirrwar. «Ich bin mir nicht abhandengekommen,» stellt Heinrich Übel ziemlich am Anfang der Erzählung – überrascht – fest. Es braucht lange und viel Geduld, bis wohl auch die Angesprochenen, die Lesenden, zur Einsicht oder Überzeugung kommen: Der Erzähler, Thomas Hürrlimann, ist nicht abhandengekommen. Doch er sagt – zumindest in seinem so wunderlichen, neusten Buch: ««Nichts ist wie vorher» Peter Züllig
31. Januar 2019
Gelesen:
Wilhelm Genazino
"Ausser uns spricht niemand über uns"
Roman
2018, Carl Hanser Verlag, München
155 Seiten, ISBN 978-446-25173-9
Karg ist die Sprache, aber elegant, präzis – ohne jede Schnörkel - den vielen sprachlosen Begegnungen angepasst. «Ich war immer noch nicht reif genug, um zu begreifen, dass es ein zärtliches Scheitern gab. Danach erinnerte ich mich an Carola, wie sie vor vielen Jahren geküsst
hatte. Ihre Zunge zuckte seinerzeit wie ein kleines erschrecktes Fischlein in meinem Mund umher, was mir damals sehr gefallen hatte», so der Schluss
des siebten Kapitels. Es könnte auch der Schluss irgendeines anderen Kapitels sein. Es ist einer der vielen Gedanken, die an irgendetwas geknüpft, das in der Vergangenheit liegt, das Erinnerung
geworden ist. «Der Tod wird das erste und einzige Erlebnis sein, von dem ich hinterher nicht mehr würde sagen können, wie es war.» Als innere Bildmaschine bezeichnet der Protagonist seine Erinnerungen. Diese kreisen immer und immer wieder um menschliche Beziehungen, die sich dann – wer hätte
das gedacht – im Sex auflösen. Nicht in einer Liebe, im Bett, in der Leidenschaft. Diese Sexpräsenz ist das, was mich an den auftauchenden und rasch wieder verschwindenden Episoden stört. Nicht
weil ich darin Anrüchiges darin erkenne oder gar Effekthascherei wittere.
Weiterlesen hier
2018, Aufbau Verlag, Berlin
ISBN 978-3-351-03739-0, 192 Seiten
Ein Wolf, ein Mann (der aus dem Flugzeug fällt), ein Unort (der einst eine Fabrik war), eine Nachtwächterin (die Ich-Erzählerin), ein Koch (der nur noch Tomatensuppe kocht), ein Chef (der nur noch seine Memoiren schreiben möchte), ein letzter Arbeiter (er auch Jäger ist), ein Universal-General-Lexikon….
«Hier ist noch alles möglich». Das erzählt die namenlose Erzählerin, eine Aussteigerin, die sich hinter Zäune verbirgt und dabei entdeckt, dass da noch ein Loch ist. Ein Loch, das dem Wolf – wann immer er will - Zutritt verschafft. Ein Wolf, der bis fast zuletzt ein Phantom ist und bleibt: unsichtbar, spürbar, geheimnisvoll, gefährlich…
Eine Grube soll gebaut werden, eine Grube für (oder gegen) den Wolf. Der Wolf kommt nicht, die Grube bricht ein, muss gestützt werden, hält nicht stand. In die Fangeisen will der Wolf nicht treten, auf den Monitoren, die das Fabrikgelände lückenlos erspähen, taucht er nie auf. Weiterlesen hier
Nur der Koch tritt in die Falle: «An der Kantinentür hängt ein Zettel. Wegen Krankheit vorübergehend geschlossen. Alle wissen dass nicht eine Krankheit der Grund dafür ist, warum die Kantine geschlossen hat. Alle wissen, dass vorübergehend in diesem Fall für immer heisst.
Und daraus – und noch einigem mehr – soll sich ein Roman ein Roman entwickelt, oder eine Erzählung, oder…? «Hier ist (eben) noch alles möglich» Auch eine Erzählung, eine gute sogar. Vielleicht nicht unbedingt eine spannende, eher eine
kuriose. In dieser Kuriosität verwebt sich die Erzählung zur Botschaft, zur Aussage, zur Erforschung einer Insel: «Es gibt eine Insel, auf der ein noch nie gesehenes Tierchen lebt. Forscher fuhren hin und entdeckten die Sensation».
Es ist keine Sensation, was da die Autorin Gianna Molinari (31) beim Graben auf dem umzäunten Gelände, auf der Fabrikinsel, gefunden hat: Doch ihre Bilder bezeugen, «dass da die Fabrik war und der Chef, dass da die Fallen waren und dass die Angst war vor dem Wolf.» In der Erinnerung wird es nur die Erzählung geben, die «Notizen, die Memoiren des Chefs, der Rest ist Erfindung, ist das Weiterführen der Wirklichkeit.» Peter Züllig
2018, Anno-Verlag, Ahlen
100 Seiten, mit meist farbigen Fotos,
Paperback. ISBN: 978-3-939256-81-6
Ein Buch über einen Pfarrer, hier in der Rubrik "gelesen"? Die Erklärung findet sich auf dem Bild rechts, ein Pfarrer mit Winnetous Silberbüchse im Arm. Tatsächlich ist Willi Stroband, nicht nur
Priester in der Kirchgemeinde St. Bartholomäus, sondern auch Sammler von Büchern und Gegenständen aus dem weiten Universum von Karl May. Dies zeigt nicht nur dieses Bild (und ähnliche Bilder) im
kleinen Büchlein , das eine Ahlender Persönlicheit vorstellt. Willi ist vielen - fast allen - Karl-May-Freunden ein Begriff. Am alle zwei Jahre stattfindenden Kongress der KMG
(Karl-May-Gesellschaft) gehören seine Gottesdienste und vor allem auch seine Predigt zum Festen Programm-Punkt, zur unglaublich gut besuchten Feierstunde (über alle konfessionellen Grenzen
hinweg. Ich habe das Buch heute in einem Zug gelesen und so viele Berührungspunkte gefunden (Natürlich auch "Die Weihnachtsgeschichte frei(fast) nach Karl May. Das Buch gehört unbedingt in meine
Karl-May-Sammlung.
Weiterlesen hier
Vielmehr, weil hier ein «alternder» Schriftsteller in Phantasien badet, die vielleicht seinen Protagonisten (in der Ich-Erzählung) so stark beschäftigen mögen, aber in der Verknüpfung mit dem sich erinnernden Autor und der Gestaltung des Episoden-Romans – jedenfalls für mich - abstossend wirken. Es gibt eine ganze Reihe anderer – weit berühmterer Schriftsteller – die diese «Alters-Sex-Pubertät» in einigen ihrer späten Werken genüsslich zelebrieren, mal tiefschürfend distanziert und gekonnt, mal eher banal. «Sex ist Rache am Tod» habe ich kurz zuvor in einem Nachruf auf den Schriftsteller Philip Roth gelesen. Diese Deutung kommt mir beim Lesen dieses Romans von Genazino in den Sinn und ich versuche, mich zu versöhnen, zumal Genazino sieben Monate nach Philip Roth im Dezember 2018 gestorben ist. Sein Tod ist übrigens der Anlass, dass ich sein fast letztes Werk jetzt gelesen habe.
Sein Autogramm im Buch zeugt noch von irdischer Präsenz. Auch seine Beobachtungsgabe, sein Schlendern durch die Stadt und den ganz gewöhnlichen Alltag faszinieren mich. Die Sprunghaftigkeit seiner Gedanken, seine schon fast ausgehungerten Assoziationen finden – bei mir – Anklang und hohe Anerkennung. Es ist das, was ich immer wieder in der Sprache der Bilder aufgreife und ab und zu auch zustande bringe. Genazino schafft es mit Worten, in kurzen Sätzen, in oft virtuosen Gedankensprüngen, die gar nicht sprunghaft daherkommen. Im Gegenteil: logisch gereiht und doch nicht viel mehr als Blitzlichter aus der Erinnerung. Ich liebe Romane, bei denen man auch zwischen den Zeilen lesen kann, ja lesen muss. Bücher, die sich nicht in einer spannenden Geschichte auflösen, sondern andere Geschichten (auch eigene) heraufbeschwören. Der Kulturpessimismus, der im Werk mitschwingt, die Hilflosigkeit, mit der sich Menschen anschweigen und ein Held als Versager, der die Not seiner Gespielin nicht erkennt, das alles meide ich in der modernen Literatur (wo immer ich kann). Doch hier erreichen sie mich, weil sie nicht in der Geschwulst der Gefühle aufgehen, sondern in der Sachlichkeit der Gefühle. Nicht lamentierend, nicht ironisch, nicht spöttisch, nicht verärgert. Sachlich einfach, auch im immer wieder zelebrierten Sex.
20. Januar 2019
Gelesen:
Anja Reschke
Haltung zeigen
Rowohlt Taschenbuch Verlag
2018, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg
Ein kleines Büchlein von knapp 100 Seiten, mit programmatischem Inhalt. Keine Geschichte - und doch eine Geschichte, nämlich die Geschichte einer mutigen Journalistin in einem hassgeprägten Umfeld. Es geht um die Rolle der Journalistinnen und Journalisten im öffentlich-rechtlichern Rundfunk. Es geht um Haltung, es geht um die sogenannte Objektivität.
Der grösste Fehler im Buch ist eine Unterlassungssünde. Es wird immer wieder von einem entscheidenden Anlass gesprochen, von einem "Tageskommentar" in der ARD am
6. August 2015, den die Journalistin abgegeben hat. Von einem Kommen-tar, der das Leben von Anja Reschke zwar nicht grundsätzlich verändert,
aber stark geprägt hat. "Ich hasse diese Frau". war am anderen Tag eine von vielen ähnlichen Reaktionen in den Social Media. Das Buch ist eine Reaktion auf die Hass-Lawine, die in der Folge auf die Journalistin niederging. Keine "Abrechnung" vielmehr eine kluge, klare Analyse der Aufgabe und der Haltung von Journalistinnen und Journalisten.
Doch dieser Kommentar von Anja Reschke fehlt im Buch. Für alle, die diesen Tageskom-mentar nicht gehört (und gesehen) haben oder sich nicht erinnern können, ein unverzeihlicher Fehler. Deshalb der Kommentar hier (oben)
Warum ich auf dieses auf dieses Buch aufmerksam wurde? Ganz einfach, weil ich die Sendung #global auf SRF gesehen und hier besprochen habe. Inzwischen habe ich da Buch auch gelesen.Rechts die ganze Sendung #global mit dem Gespräch mit Anja Reschke.
Darin ist auch viel über die Autorin und ihre Haltung zu erfahren. Nun zum Buch:
Es liest sich am Anfang bei der grundsätzlichen Betrachtung: "Haltung und was sich dafür hält" erklärend, sachlich, fast schon trocken. Es ist eine Auslegeordnung von verwandten Begriffen wie Haltung, Meinung Contenance, Einstellung, Starsinn, Dann aber wird es persönlicher, für mich auch "erhellender". Die Autorin (geb. 1972) über sich und das Deutschland, in das sie hineingeboren wurde. Eine ausgezeichnete Analyse der gesellschaftlichen und politischen Situation Deutschlands in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Dann wird es noch spannender bei der Frage, warum kommen Menschen mit ähnlichem familiären, gesellschaftlichem Hintergrund zu vollständig anderen Haltungen. Wie ist das zu begreifen, zu verstehen?
Der letzte Teil des Buch berührt und erschreckt. Wie ist soviel Hass, so viel Intoleranz, so viel Wut und Menschenverachtung überhaupt zu ertragen. " 'Flüchtlingsursel' nannten mich meine Kritiker. Wenn sie noch einigermassen zivilisiert waren. 'Asylhure', die verrohte Version.". Das Fazit: "Haltung zeigen", äusserlich, wie innerlich. Auch wenn man, oder gerade weil man, als Journalistin, als Journalist, zur sachgerechten Information verpflichtet ist. Das Buch, keine Abrechnung mit lautstarken Kritiker, vielmehr ein Lehrstück für Menschenrechte, wie sie auch in der Verfassung festgelegt sind.
09. Januar 2019
Daniel Kehlmann:
Tyll
Roman
2017 Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg (8. Auflage 2018)
Ein Verwirrspiel also, Fakten und Fiktionen, Phantasie und Realität purzeln munter durcheinander und schaffen so eine neue Realität, in der Geschichte vom «Tyll», die sich im Buch auf fast 600 Seiten ausbreitet und mehr Realität des Dreissigjährigen Krieges spiegelt, als jede historisch exakte Aufarbeitung dieser schrecklichen Zeit.
Tyll Ulenspiegel – Vagant, Schausteller und Provokateur - lebte zur Zeit des Dreis-sigjährigen Kriegs (1618-48). Dyl Ulen-spegel, zu Deutsch Til Ulenspiegel – Vagant, Schausteller und Provokateur – ist hingegen schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts unterwegs. Also 300 Jahre früher. Die beiden Eulenspiegel, der historisch und der von Daniel Kehlmann geschaffene, haben ganz andere Zeiten erlebt. Und doch sind sich die beiden verdammt ähnlich. Nicht wunderlich, denn vom Ulenspiegel des 14. Jahrhunderts wissen wir – historisch belegt – sehr wenig. Erst zu Beginn des 16. Jahrhun-derts wurde seine sagenumwobene Geschichte erstmals schriftlich festge-halten. Der Autor ist bis heute nicht bekannt.
Anders beim Ulenspiegel des deutsch-österreichischen Schriftstellers Daniel Kehlmann. Er hat nur in der Phantasie des Autors gelebt, aber in einer präzis fixierten, historisch belegten Zeit, mit realen Personen, die zu dieser Zeit gelebt haben, und historisch belegten Ereignissen.
Wer sich nicht auf dieses Spiel einlässt, der findet sich lange nicht zurecht, hat Mühe mit dem Roman. Schon auf den ersten 50 Seiten wird Tyll, der kleine Junge, der Sohn des Müllers Claus Ulenspiegel, von einem Knecht in den Mühlbach geworfen: «Er kann noch denken, dass ganz genau das geschieht, wovon er sein Leben lang gewarnt worden ist: Steig nicht vor dem Rad in den Bach, geh niemals vor dem, geh vor dem Mühlrad nicht, auf keinen fall geh nie, nie, geh nie vor dem Mühlrad in den Bach! …. Er spürt, wie ein Fisch seine Wange streift. Er spürt das Wasser strömen, spürt den Sog zwischen seinen Fingern. Er weiss, dass er sich festhalten müsste, aber woran nur, alles ist in Bewegung, nichts Festes irgendwo…».
Tyll hat das Mühlrad überlebt. Agneta, Tylls Mutter «streicht ihm über die Wange. ‘Zweimal’, sagt sie, ‘bist du jetzt getauft’». So erlebt, so überlebt Tyll den Dreissigjährigen Krieg. Immer in Bewegung, immer zwischen Realität und Phantasie, zwischen Handfestem und Erfundenem, zwischen Groteskem und Erschreckendem… Und immer ist da die Geschichte, mit Namen, mit Zahlen, mit Tod und Leid, mit Freuden und Schrecken, immer mit Krieg. Nicht der Krieg mit Schlachten und Verwüstung, mit Siegern und Besiegten. Aber immer mit dem Gaukler und Schausteller, der auf dem hohen Seil durch den Krieg tänzelt.
Es scheint, als liege das Leben, die Wahrheit, die dreissig Jahre der Geschichte in der Sprache, die findet und erfindet, die schildert und phantasiert, die immer in Bewegung ist und das um-schliesst, was man sich nicht vorstellen kann, nicht vorstellen will, weil es schrecklich ist, letztlich aber wahr, weil der Tod den Menschen immer begleitet: ob Machtmensch, Schalk oder Phantast. Eine Schlüsselszene ist der Hexenprozess der Tylls Vater gemacht wird und die Begegnung mit Scharftrichter Meister Tilman und das Henkersmahl. Der zum Tode verurteilte Ketzer Claus «hat gemeint, die Henkersmahlzeit käme nur in Redensarten vor, er hat nicht geahnt, dass tatsächlich ein Koch geholt wird, der einem so gutes Essen zubereitet, wie man es sein Lebtag nicht bekommen hat… Jetzt sitzt du noch hier und
kannst alle Zahlen zwischen eins und tausend herbeten, aber übermorgen wirst du entweder ein Luftwesen oder aber eine Seele , die in einem Menschen oder Tier wieder zu Welt kommt und sich an den Müller, der du noch bist, kaum erinnert… ’Hör mal’sagt Meister Tilman leise, ‘Wenn du morgen unter dem Galgen stehst – vergiss nicht, dass du allen verzeihen musst’. Claus nicht. ‘Den Richtern’, sagt Meister Tilman, ‘Und mir musst du auch verzeihen’.»
Der Umgang mit dem Schrecken, die Hilflosigkeit, die Armut, die Macht von Kirche und Krone, sie wird hier, sprachlich elegant, schicksalsergeben, nicht anklägerisch aufgezeigt. Tyll, der Vagant, Schausteller und Provokateur tänzelt durch die Wirren der Zeit: «Ich geh jetzt. So hab ich’s immer gehalten. Wenn es eng wird, gehe ich. Ich sterbe hier nicht. Ich sterbe nicht heute. Ich sterbe nicht!»
Tyll ist tatsächlich noch immer da. Nur in einem Roman zwar. Doch, wer kennt schon die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion?
Peter Züllig
2018, Fischer Verlag, Frankfurt am Main
156 Seiten, ISBN 978-3-10-397259-7
Der Autor hat soeben den Schweizer Buchpreis 2018 (30'000 Franken) erhalten. Das hat mich beschäftigt. Nicht dass ich den Entscheid in Frage gestellt habe, vielmehr, dass ich noch keines der Bücher von Peter Stamm bisher gelesen habe. Auch sein neustes Werk nicht, «Die Sanfte Gleichgültigkeit der Welt». Der Titel hat mich überhaupt nicht angesprochen. Er erinnert mich zu sehr an einen anderen Titel: «Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins». Doch dieses Buch ist nicht von Peter Stamm, von Milan Kundera, das bereits vor 34 Jahren geschrieben, inzwischen ein Klassiker der Literatur. Nein, Peter Stamm ist Schweizer Schriftsteller und nur für Schweizer Verhältnisse ein Klassiker, international aber bereits bekannt. Durchaus ein erfolgreicher Autor.
Irgendwie schäme ich mich, nur Berichte zu seiner Person und seinen Büchern gelesen zu haben. Schuld war sicher nicht der Titel, Sein Bestseller-Titel «Agnes», zum Beispiel, spricht mich durchaus an. Trotzdem, Peter Stamm war für mich bisher so etwas wie ein «Secondhand» Autor. Ich vermute, es sind seine schlanke, schnörkellose Sprache und seine präzisen, aber oft offenenbleibenden Geschichten, die mich gleichgültig werden liessen.
Ich liebe es eher barock, voluminös, schmuckhaft. Die letzten paar Bücher, die ich soeben gelesen habe, haben alle einen Umfang von fünfhundert und mehr Seiten und schwelgen in Schilderungen von Details und vielen historischen Zusammenhängen. Nicht so das an Seiten bescheidene Buch von Peter Stamm. Es kreist ausschliesslich um den Ich-Erzähler Christoph und seine Beziehung zur Debütantin Magdalena und um ihre beiden Erinnerungen. Christoph begegnet dem jungen Chris, dem Ebenbild Christoph, und Lena, der Inkarnation von Magdalena. Eine Begegnung, die in ein Vexierspiel mündet, sich durch ein Gefühlswirrwarr schlängelt und sich immer wieder in philosophischen Gedanken zur Erinnerung aufschwingt.
Und da passiert etwas für mich Erstaunliches: Mich fasziniert die knappe, zielorientierte, «trockene» Sprache, das Fehlen von Adjektiven in den Beschreibungen und im Ablauf. Es sind Bilder, die sich aneinanderreihen, Bilder von Geschichten, die nur Geschichten in sich, aber nicht eine Geschichte des Buchs sind. Die Bilder sind der Roman. Die Spannung entsteht durch das sich Kreuzen der Zeiten: Was ist Vergangenheit, was ist Gegenwart. Und die Zukunft? Lena: «Erst will ich das Ende der Geschichte hören. Das Ende der Geschichte kann ich Ihnen nicht erzählen sagte ich, ein Ende haben Geschichten nur in Büchern…»
Eigentlich liebe ich Geschichten nicht, die kein Ende haben: vor allem nicht in Büchern. Und Geschichten, die ich selbst schreiben muss, während ich lese, hasse ich, eigentlich. Doch dieses Buch spricht mich an, trotz oder gerade wegen der Sprache. Trotz oder gerade wegen der fehlenden Romanhaftigkeit. Trotz oder gerade wegen des dauernden Verwirrspiels. Die bescheidene Rahmenhandlung ist es nicht, was das Ganze zusammenhält. Es ist vielmehr die dauernde Suche nach dem was man ist und nach dem was man einmal war, nach Erinnerung und Realität, nach einem Fundament in der Welt und ihrer Gleichgültigkeit.
All das, so in Worte gefasst, würde mich abschrecken, aus dem Roman jagen. Es hat es nicht getan. Vielleicht doch, weil ich – ohne es zu wollen – das Fragmentarische selber zum Roman gemacht habe, nicht in Worten, in Gedanken, vielleicht sogar in Tagträumen. Sie können sich «der sanften Gleichgültigkeit der Welt» entziehen. Vielleicht nur sie!
List-Verlag 3. Auflage 2015
(Original: The Princess of Siberia 1984)
Taschenbuch, 336 Seiten
ISBN-10: 3548609309
Zur Autorin: "Christine Sutherland wuchs in Polen und Frankreich auf und lebt heute pin London. Sie hat sich als Biographin historischer Frauengestalten einen Namen gemach"
Der Anlass diese Biographie zu lesen, war die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok. Zum ersten Mal begegnete ich den Dekabristen. Sie wurden nach einem Aufstand 1825 gegen den Zaren Nikolai I nach Sibirien verbannt und konnten erst dreissig Jahre später nach einer Amnestie von Zar Alexander II ins europäische Russland zurückkehren. Maria Wolkonskaja, die junge Frau von einem der Aufständischen, Fürst Serge Grigorjewitsch Wolkonski, folgte ihrem Gatten freiwillig in die Verbannung nach Sibirien. Diese Geschichte erzählt das Buch. Eine Biographie in romanhafter Form, sehr gut recherchiert, mit vielen Fakten zur russischen Geschichte des 19. Jahrhunderts.In den Grundzügen historisch belegt, in den Beschreibungen und Details romanhaft erzählt.
Noch nie habe ich so viel über die Geschichte des Zaren-Russlands im 19. Jahrhundert erfahren. Die beiden grossen russischen Schriftsteller, Leo Tolstoi („Krieg und Frieden“ „Anna Karenina“) und Fjodor Dostojewski („Schuld und Sühne“ „Die Brüder Karamasow“) prägten weitgehend das Wissen über das Leben und die politische Realität zur Zeit der Zaren.
Literatur, die vor allem auf Grund der grossartigen Schilderung und der Verarbeitung zu packenden Romanen, einen Einblick in die Zustände im Russland der Zaren gibt. Chrisine Sutherlands biografische Erzählung hingegen ist nüchtern, fakten-orientiert und nur in den Beschreibungen und
Schilderungen von Handlungen und Zustände fiktiv, immer auf Grundlage von Dokumenten, Briefen und Zeugnissen.
Es tauchen beim Lesen Fragen auf, die unweigerlich zur weiteren Beschäftigung mit der russischen Geschichte des 19. und auch 20. Jahrhunderts führen. Etwa: Wäre der Aufstand von 1825 von Adligen und hohen Offizieren erfolgreich gewesen, hätte die Oktoberrevolution rund 90 Jahre später auch stattgefunden? Wäre der soziale Wandel in Russland um vieles friedlicher verlaufen, wenn damals das hohe Ziel der Dekabristen erreicht worden wäre, nämlich die Abschaffung der "Leibeigenschaft" (die erst 1861 aufgehoben wurde)?
Mich hat das Buch auch zum Sinnieren gebracht, ob ich an Marias Stelle ebenso gehandelt hätte? Hier in Kurzform zum Inhalt: "Im Dezember 1825 findet in Petersburg der Aufstand der Dekabristen statt, der von Nikolaus I.
rasch niedergeschlagen wird. Die Verschwörer,
Aristokraten und Angehörige der Garderegimenter, deren Ziel eine konstitutionelle Monarchie war, werden hingerichtet bzw. zu 20 Jahren Zwangsarbeit und lebenslanger Verbannung in Sibirien verurteilt. Unter ihnen Sergej Wolkonski, verheiratet mit
Maria Rajewski, die beschließt, ihrem Mann in die Verbannung zu folgen. Zusammen mit anderen Frauen der Dekabristen setzt sie Erleichterungen für die Verurteilten durch, gründet Schulen für sibirische Bauernkinder, nimmt sich der Findelkinder an und sorgt später in Irkutsk für die Errichtung eines Theaters. Alle diese Wohltaten bringen ihr den Beinamen »Prinzessin von Sibirien« ein. Als Alexander II. bei seinem Regierungsantritt im Jahr 1856 eine Amnestie erläßt, kehren die Wolkonskijs nach 30 Jahren Verbannung ins europäische Rußland zurück."
Zur Ergänzung: Die
Dekabristen von Sergei Wolkonski (Autor)
Taschenbuch: 128 Seiten, Verlag: Salzwasser Verlag; Auflage: 1 (2012)
ISBN-10: 3863828127. Nur noch antiquarisch erhältlich.
"Wolkonski (1788-1865) zählte selbst als Mitglied zu den Dekabristen und hat in
diesem Buch einen internen Einblick in die Dekrabisten gegeben. Nachdruck des Originals von 1926".
Lew Tolstoi: Der Morgen des Gutsherrn/Die Dekabristen/Kriegsbilder - Kapitel 22
(Projekt Gutenberg DE)
21. Juli 2018
Gelesen:
Winnetou II
Karl-May-Verlag, Bamberg
1962 - Jubiläumsaugabe
Aus aktuellem Anlass – Freilichtspiele in Engelberg – habe ich wieder einmal Winnetou II von Karl May zur Hand genommen und gelesen. Und zwar die noch immer verbreiteteste Ausgabe aus dem Jahr 1962 (Jubiläumsausgabe, die auch von Buchclubs und verschiedenen Verlagen in Lizenz übernommen wurde) . Eigentlich müsste man die HKA (historisch-kritische Ausgabe) lesen, um das Werk im Originaltext zu erfassen. Doch darum geht es hier nicht. Vielmehr um die dauernd gestellte Frage: „Kann man Karl May heute noch lesen“. Ich bin durchaus kritisch, lese viel, beobachte die Buchszene und befasse mich bei Karl May eher mit Sekundärliteratur, als mit den Originalwerken, die ich aber (fast) alle einst gelesen habe.
Trotzdem kann ich behaupten: „Man kann“! Man kann seine Bücher nicht nur lesen, man kann sie durchaus auch „geniessen“. Natürlich im Hinterkopf immer das Umfeld von einst: Winnetou II (2. Band der Winnetou-Trilogie) erschien 1893 im Verlag Fehsenfeld (Freiburg i.Br.). Weiterlesen hier
21. Juli 2018
Gelesen:
Winnetou II
Karl-May-Verlag, Bamberg
1962 - Jubiläumsaugabe
Fortsetzung:
Darin hat Karl May zwei frühere Erzählungen verwendet. „Der Scout“, 1988/89 als Fortsetzung im „Deutschen Hausschatz“ (Verlag Pustet) und „Old Firehand“, bereits 1975 im „Deutschen Familienblatt“ erschienen. Auch wenn in Winnetou II von Karl May leicht umgeschrieben, angepasst und mit einem kleinen, neuen Schlusskapitel ergänzt wurde, so stammt das Werk (sein Geist) doch aus dem späten 19. Jahrhundert, auch wenn immer wieder mal sprachliche und stilistische Anpassungen vorgenommen wurden. In der Diktion spiegeln sie noch immer die Welt vor rund 150 Jahren. Und zwar nicht den Alltag – vielmehr das Fremde, das Abenteuer, das Unbekannte, das Geheimnisvolle – auch das Erdachte, Erträumte und Phantasierte.
Hat dies in der heutigen, scheinbar so rationalen Zeit keinen Platz? Fiktionale Abenteuer im Weltraum und/oder auf anderen Planeten sind in Mode. Welten, die weit unrealistischer sind, als der zeitbedingte, aber durchaus reale Kosmos von Karl May. Das Phantastische hat durchaus noch einen Platz auch in der Literatur. Winnetou ist noch existent in unserer Zeit. Die Handlungen sind oft absurd, zumindest unrealistisch. Doch der Geist ist ist durchaus real, viele Grundaussagen sind sogar top-aktuell. Man schleicht eben nicht mehr durch die Wälder, durch Steppen, durch fremde Länder. Man schleicht und robbt und schlägt sich heute durchs Internet, durch eine virtuelle Welt, die weit weniger durchschaubar, aber nicht minder bedrohlich ist, als die Gefahren, welchen Old Shatterhand und Winnetou dauernd ausgesetzt sind. Daneben aber gibt es in den „Reiseerzählung“ von einst – so phantastisch sie sein mögen - immer den Menschen im Mittelpunkt, seine Überlegungen, sein Denken und Urteilen. Und da hat sich grundsätzlich wenig geändert in den letzten mehr als 100 Jahren. Feindschaft und Freundschaft, Bedrohung und Frieden, Leben und Tod sind genauso – wenn nicht noch mehr - präsent
Um auf den aktuellen Anlass zurückzukommen. In Engelberg wird Theater gespielt. Ein kleines Stück von Winnetou II (nämlich den zweiten Teil, Old Firehand, der etwa einen Drittel des Buchs ausmacht) und zwar umgesetzt von einer Ich-Erzählung in eine spielbare, verständliche Theater-Form. Da werden Gedanken, Beschreibungen, Ansichten, Gefühle so umgesetzt, dass sie Theaterleben erhalten und verständlich sind und zwar in einer schnellen, immer wieder auf den Punkt gebrachten Form. Wer dies pathetisch nennt, hat Welt nicht verstanden, weder die Theaterwelt, noch die reale Welt unserer Zeit.
05. Juli 2018
Revanche
Der zehnte Fall für Bruno Chef de police
2018 Diogenes Verlag, Zürich
403 Seiten, ISBN 978-3-257-07025
Originaltiel 'The Templars' Last Secret (2017)
Es ist tatsächlich schon der zehnte Fall, den der charmante Dorfpolizist - mit inte-rnationalem Renommee - in Saint-Denis im Périgord (Frankreich) zu lösen hat. Und natürlich
löst er den Fall - wie immer - brillant. Was 2008 mit dem Roman "Bruno, Chef de police" (deutsche Ausgabe: Diogenes 2009) begann, hat sich zur Kultgeschichte mit Fortsetzung
entwickelt. Und das nicht existierende Saint-Denis - respektive sein existierendes Vorbild, Le Bugue - ist zum Wallfahrtsort an der Dordogne geworden. Was dem britischen Schriftsteller Peter
Mayle vor 26 Jahren in der Provence glückte - nämlich Leben, Kultur und Mentalität Südfrankreichs zu beschreiben - das schaffte 17 Jahre später der schottische Historiker und Journalist,
Martin Walker im Périgord an der Dordogne. Beide . Mayle und Walker - sind also "Fremde" in Frankreich, die zumindest in ihren Büchern, zu
Einheimischen geworden sind. Das "Heimatliche" lässt sich offenbar durch das Auge des Fremden besser erfassen, als durch die, welche darin aufgewachsen sind und darin leben.
Es ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie bei Kriminalromanen - so unterschiedlich sie auch sein mögen - immer wieder vorkommt. Am berühmtesten ist wohl die Figur von Georges Simenon, Jules Maigret,
Komissar der Pariser Kriminaplolizei, die in 75 Romanen und 28 Erzählungen ihren Auftritt hat. Oder Commissario Brunetti, der dank Donna Leon unermüdlich in Venedig und in der ARD ermittelt.
Vergleichen lassen sich die Figuren nicht jede und jeder lebt in ihrer, seiner Welt.
So auch Bruno Courrèges, Chef de Police,
in einem schmucken Dorf an der Dordogne, in einer Provinz im Südwesten Frankreichs, "die für ihr reiches historisches Erbe, ihre Küche und das milde Klima ist". In dieser Region befindet sich auch die berühmte Höhle von Lascaux, die oft als „sixtinische Kapelle der Frühzeit“ bezeichnet wird. Der Autor und "Erfinder" der Bruno-Geschichten ist Journalist, Historiker, mit
guten Kenntnissen der Vergangenheit und Gourmand, tief verwurzelt im Leben, in den Genüssen (und Schrecken) des Lebens, aber auch im lokalen, regionalen und auch internationalen Geschehen. Da brechen - sozusagen in jedem Roman - historische Ereignisse auf, sei es der Algerienkrieg, der lange Kampf um Unabhängigkeit im Kosovo oder der die Kollaboration oder der Widerstand in Frankreich im zweiten Weltkrieg. Fast immer führt die Beschäftigung mit der Vergangenheit zu einem aktuellen Konflikt. ja zu einer Katastrophe, die - dank Bruno - gerade noch rechtzeitig verhindert werden kann.
Diesmal geht es um einen sagenumwobenen alten Schatz, welche ein brisantes Dokument enthalten soll, welches im Nahen Osten grosse Unruhe stiften könnte Doch es ist nicht allein der
historisch interessante Plot, nicht ganz frei erfunden, der immer wieder fasziniert. Es sind die Menschen, die Figuren, "Altbekannte" aus dem Umfeld Brunos, welche die Szenerie bilden. Dabei schaffen sie kein Klima der Angst und des Schreckens, sondern geniessen herzhaft - trotz des obligaten Mordes und der Hetze nach dem Mörder - das Leben und Genüssen des Lebens: Essen und Trinken, Wein und Gänseleber, Sport und Spiel, aber auch die Liebe und die Freundschaft, das Vertrauen und nicht zuletzt die Verbundenheit mit der Region und ihrer Geschichte. Wenn ich mir genau überlege, sind es spannende Antiangst-Geschichten, die wohltuend in unsere sonst so angst-beherrschte Welt einbrechen und trotzdem - oder gerade deswegen - immer wieder Ordnung schaffen.
29. Juni 2018
Urs Berner
"Tschogglit"
und elf andere Feinheiten
2014 - Neptun Verlag, Kreuzlingen
Geschichten, 176 Seiten: - ISBN: 9783858203106
Fast vier Jahre hat es auf meinem Pult gelegen, das Buch des Freunds, von einem meiner guten Freunde. Da liegt das Problem. Nicht beim Buch. Wie soll man mit Büchern von Freunden umge-hen? Was
passiert, wenn es nicht gefällt? Wie unbefangen ist ein Lesen, wie objektiv das Urteil?
Irgend wann aber muss es sein! Natürlich - im Hinterkopf - immer die Angst vor einer Enttäuschung. Und? Enttäuscht bin ich nicht, um dies vorweg zu nehmen. Es sind Geschichten, die dem Leben
abgeguckt sind, aber rasch und oft ins Skurrile abtauchen. Voraussehbar das eine, überraschend das andere Mal. So auch die längste Geschichte, die dem Buch den Namen gegeben
hat. Der Autor, Urs Berner, ist Erzähler, das gefällt mir. Er konstruiert nicht Abläufe, er erzählt Geschchten, Gescichten von Menschen, mit denen
(oder mit ihren Geschichten) man sich solidarisieren kann. Also kann man sie auch ablehnen, verwünschen, verdrängen - doch sie sind immer da - mit ihren ganz speziellen Lebenssituationen.
Auch dann, wenn sie irgendwo, irgendwann in die Phantasiewelt
abdriften, sich aus der Realität in die Imagination flüchten. Bei Kindern kennen wir das, Kinder kommen auch vor in einigen der zwölf Geschichten dieses Buches. Andere handeln nur von Männern, von gestandenen Männern oder untreuen Frauen. Untreue Männer wären ja viel nahe liegender, zu banal, also gibt es sie nicht (im Buch). Vielmehr sind es enttäuschte Männer, die aber ihre Enttäuschung nicht zeigen. Gut so, denn Bemitleidung wäre unerträglich. Eine kleine Enttäuschung aber gibt es bei mit, beim Lesen. Die Sprache. Korrekt, aber eher journalistisch, gradlinig, nicht verspielt, wie es die Geschichten (Feinheiten) sind. Nicht holprig, korrekt, für Geschichten, die gesellschaftlich eher unkorrekt sind. Da leicht pPhantastische spiegelt sich nicht in der Sprache. Eigentlich schade.
15. Oktober 2017
Kriminalroman
Mordkap
von Rainer Doh
2016, Divan-Verlag, Kassel, 25 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-86327-026-1
Wer schon ganz im Norden unterwegs war, der fühlt sich vor allem vom Titel des Buchs angesprochen. Das Nordkap wird zum Mordkap, eine Fahrt mit dem ehemaligen Postschiff Hurtigruten zur Kriminalgeschichte. Kann das Buch halten, was es verspricht? Das Geschehen entwickelt sich von einer Begegnung mit dem Dorfpolizisten Arne Jakobson zur wilden Agenten-Story, etwas allzu wild - für eine beschauliche Fahrt entlang der rund 2'600 Kilometer langen Küste Norwegens. Allerdings beschränkt sich die Fahrt auf nördlichsten Häfen, die selbst für versierte Nordwärtsfahrende eine Mischung von Langeweile, Beschaulichkeit, aber auch Exotik und Unwegbarkeit darstellen: Skjervoy, Oksfijord, Havoysund, Honningsvag, Berlevag, Vardo, Kollefijord... Erstaunlich ist die Präzision, mit der die Stimmung auf dem Schiff, das Verhalten der Reisenden, aber auch der Ablauf der Landemanöver, das Leben ganz im Norden - wo es während zwei Monate überhaupt nicht mehr Tag wird - beschrieben werden.
Rainer Doh
Rainer Doh ist kein Norweger, er ist Deutscher und lebt in München. Mordkap ist sein erster Kriminalroman. Im September 2017 erschien sein zweiter Krimi, Goldkap (iauch im Divan-Verlag). Und wieder geht es um den Norden und um Arne Jakobson, der inzwischen Kriminalkommissar geworden ist Wieder faszinieren die Landschaft, das Leben, die Abgeschiedenheit, aber auch die Wildheit der steilen Felsen, der Berge, der Fjorde rund 300 Kilometer nördlich des Polarkerises. Diesmal ist es Sommer, der Ort der Handlung nicht mehr die Hurtigruten.
Zurück zu Rainer Dohs Erstling im Bereich der Kriminalgeschichten. Es ist eine Mischung aus Nostalgie und Moderne. Das Postschiff, so wie es im Bild oben im Hafen liegt, verkehrt nur noch selten auf der berühmten Route entlang der Fjorde und Inseln Norwegens..Es sind moderne Kreuzfahrtschiffe wie die Midnatsol auf der die Jagd nach dem Verbrecher glücklich (es gehört sich so!) endet.
Rainer Doh hat bisher Fachbücher und Aufsätze zu IT-Themen verfasst. Jetzt - bei seiner erstem Kriminalgeschichte - kommt ihm dies zugute. Er gliedert und strukturiert das Geschehen, das von Petersburg über Oslo bis Berlin reicht, so klar und verständlich, dass genügend Zeit bleibt, um in Beschreibung und Andeutungen eine intime Stimmung zu erzeugen und immer wieder Spannung aufzubauen.
In der Atmosphäre, die bis ins kleinste Detail rechcherchiert scheint - liegt die eigentliche Qualität des Romans, weit weniger in der thrillerhaften Handlung, die sich zum Thriller wandelt. Es ist immer wieder das Gespür für Menschen und Menschlichkeiten, welche die Geschichte der kriminalistischen Spur entreissen und das Buch zu einer "Liebeserklärung" an den Hohen Norden und seinen traditionsreichen Verkehrsweg zur See machen.
Das Buch ist auch als Hörbuch erhältlich. Hier eine Hörprobe.
Hier der Link zum interessanten Kleinverlag, in welchem das Buch erschienen ist.
12. November 2017
Medien
Story-Telling für Journalisten
Wie baue ich eine gute Geschicht?
Von Marie Lampert und Rolf Wespe
Herbert von Halem Verlag
2017 - 4. völlig überarbete Auflage
ISBN 978-3-7445-0991-6
Erstmals 2011 im UVK Verlag, Konstanz erschienen, das Buch inzwischen zu den „Klassikern“ der Journalisten-Ausbildung. Es wurde mit dieser vierten
Auflage (Herbert von Halem Verlag, Köln) vor allem neu, zeitgeistiger aufgemacht, da und dort neu strukturiert und ergänzt. Es erscheint jetzt als
Band 89 in der Reihe „Praktischer Journalismus“.
Eigentlich hat das Buch – oder die Idee dazu – ihren Ursprung im Schweizer Fernsehen, wo ich als Ausbildner einen Kurs „Geschichten erzählen“ entwickelt habe. Diese Ausbildungseinheit bezog sich
sich schwerpunktmässig auf das filmische Erzählen und wurde in der Folge (von mir und meinen Nachfolgern) laufend weiterentwickelt. Rolf Wespe, der Co-Autor des Buchs war arbeitete damals beim
Fernsehen und besuchte auch diese Kurse. Daraus entstand ein breiter gefächertes Buch, das sich „Story-Telling für Journalisten“ nennt. Weiterlesen hier.
Bei der Lektüre dieser Neuauflage des Buchs begegnen mir viele "alte Bekannte" der Medientheorie. Zweimal begegne ich mir sogar selber: bei den sieben Boulevard-Kriterien und in der Erlebnistheorie. Das "Geschichten-Erzählen" ist eben ein "altes Handwerk", das schon viele Meister gekannt hat. Meister des Erzählens. Ich habe mich viele Berufsjahre darin geübt, bis ich dann ab den 90er Jahren versucht habe, die Erfahrungen und das Wissen um das "Handwerk Erzählen" zusammenzutragen und in Theorien zu kleiden. Eigene Erkenntnisse, Liebe zur Systematik und Wissen von Theoretikern und Praktikern haben schliesslich dazu geführt, dass ich an der Universität Fribourg 14 Jahre lang unterrichten durfte. 14 dicke (und verstaubte) Ordner Medientheorie stehen im Büchergestell. Alles Teilaspekte des medialen, vor allem filmischen Erzählens. Zu einer "Gesamtschau" in Buchform habe ich es nicht gebracht. Das haben nun andere mit diesem Buch gemacht, In eine attraktive Form und auf den Punkt gebracht. Lesenswert und für Journalistinnen und Journalisten eine echte Hilfe. Nötiger denn je, angesichts der "verhakten" Kurzinformation, der Bilderflut und der Turbo-Kommunikation.
Für mich auch Anlass, ein paar der Erzähltheorien, die als Vorlesungen und/oder Kursunterlagen vorliegen hier auf meiner Website zu publizieren, als Serie in loser Folge.
09. September 2017
Martin Walker
Grand Prix
2017, Verlag: Roman-Diogenes, Zürich - 384 Seiten, ISBN 978 06991 4
Erstausgabe 2016, aus dem Englischen übersetzt.
Wenn Fiktion Realität ist!
Es ist der neunte Fall für Buno, Chef de Police in Saint-Denis (Péricord, France). Und noch immer sind es Erfolgs-geschichten, die "Fälle" des Dorfpolizisten Bruno, die sich immer wieder ins inter-nationle Verbrechertum einnisten. Doch dies allein kann es nicht sein, was seine Leser - seit dem ersten Bruno-Roman,2008 - zu einer stattlichen Fan-Gemeinde zusammen-schweisst. Georges Simenons hat es zwar mit seinen 75 "Fällen" des Kommissars Maigret vorgemacht: Man nehme...
und es funktioniert, sofern man das Flair zu einem guten Kriminalkoch und Schriftsteller hat und dabei die einfachen (aber strengen) Regeln beachtet: Kontinuität bei den wichtigsten Personen und ihren Charaktern, Einheit der Örtlichkeiten, Nähe zum Alltag, Stimmigkeit in den Handlungen, etc.
Bei Martin Walker und seinen Dorf-Helden ist es eine weitere Ebene: Die Fiktion, die durchaus Realität ist. Weiterlesen hier
Es sind drei Elemente in den Bruno-Romanen, welche sich von anderen (guten) französischen Kriminal-romanen unterscheiden.
Da ich schon frühere "Fälle" von Bruno kommentiert habe, hier der Linzk zum
Achten Fall von Bruno, Chef de Police
(Auf der gleichen Seite, weiter unten. Mit vielen Bildern und weiteren Links)
Ein Buch mit 992 Seiten – eigentlich sind es drei Bücher, vereint in einer Ausgabe – kann man dies im Zeitalter der Likes, Smileys, Mfgs, 4es, BBs überhaupt noch lesen? Ein Buch mit Sätzen wie:
«Eine Mutter sagt am Abend von ihrem Kindchen, das kaum die Augen offen halten kann: Es hat Schlaf. Gebriel Bagradian hatte Schlaf, nein er hatte Tod.»
Vielleicht sagt/schreibt man
heute nicht mehr Kindchen, eher Kind, Knirps oder gar Youngster. Mag sein, PIMM! (SMS-Sprache: Bitte erzähle mehr darüber).
Gabriel Bagradian ist Armenier, aus reichem Handelshaus, mit einer Französin,
So ist Gabriel Bagradian in ein Geschehen geraten, das man heute zurecht als Völkermord – Genozid – bezeichnet. Bei Massakern und Todesmärschen in den Jahren 1915 und 1916 kamen – je nach Schätzung 300'000 und mehr als 1,5 Millionen Menschen zu Tode. Die vierzig Tage am Mosesberg – Musa Dagh – sind nur ein kleiner Ausschnitt des Dramas, das vor etwa 100 Jahren stattgefunden hat:
Der heroische Kampf von 5'000 zum Tode – nämlich der Deportation - verurteilte Menschen, Männer, Frauen, Kinder, die sich auf dem Berg verschanzt haben und der türkischen Übermacht vierzig Tage lang Widerstand boten. Das Ereignis ist durch Augenzeugen und Dokumenten der christlichen Missionen historisch belegt. Daraus hat Franz Werfel (1890-1945) einen Roman geflochten, und damit der armenischen Nation «eine Seele gegeben hat.»
Kann man dies – auf fast tausend Buchseiten – noch lesen? Man kann, nein, man muss es lesen. Wegen der Geschichte, sicher. Wegen der Aktualität (Flüchtlingsströme von heute!), bestimmt Wegen der
Spannung, natürlich. Wegen der einfühlsamen Beschreibung, jedenfalls.
Vor allem aber wegen der Sprache: Eine Sprache, die klingt, die lebt, die trifft, die sich über alles oft grausige Geschehen legt. «Gabriel fuhr mit eiskalter Hand über den englischen Stoff
seines Anzugs. Wie Brennnesseln rührte er sich an. Und zugleich wuchs die Frage: Warum gerade ich? Wie eine Sonnenfinsternis fuhr die Verantwortung, die er auf sich nahm, mit Fledermausschatten
über ihn hin. Ein schäbiger Gedanke. Weg von hier! Noch heute!... Worte und Sätze gewannen allmählich Sinn. Die Sonnenfinsternis wich von seinem Himmel.»
Nachwort
Der äussere Anlass, diesen Roman von Franz Werfel zu lesen, war eine Reise nach Georgien/Armenien. Während ich (wie fast alle der Reisegruppe) schon einiges über Georgien wussten (gelesen haben), war Armenien und seine Geschichte uns weitgehend unbekannt.
Vieles hat mich beeindruckt, vieles wollte ich genauer wissen (als dies in ein paar Tagen möglich ist). Da gab es auch die Erinnerung an den Genozid, der aus Gründen der Staatsraison nicht
gewesen sein darf. Die Fakten habe ich mir erschlossen. Da lag es nahe, auch in den Roman von Franz Werfel einzutauchen. Was ich getroffen habe, das sind nicht nur zu einem gewaltigen Roman
verarbeitete Fakten. Das ist vor allem eine Sprache, die ich, internet- und facebookgewohnt wiederentdeckt habe.
Die Bilder der Reise, noch nicht vollständig aufgearbeitet, sind hier einzusehen.
"Erst kommt die Krankheit und dann leider der Tod. Die titelgebende Oma stirbt zu Beginn des Buchs. Man könnte es wohl der Gattung Comedyroman mit ernstem Hintergrund zuordnen, geeignet für kindische Erwachsene und für nicht allzu erwachsene Kinder." (Spiegel online)
Der Zweitling eines erfolgreichen Autors ist immer der schwierigste, sowohl für den Autor, wie auch für die Leser. Der Autor muss sich lösen von seinem Erstling, er muss sich bewähren, er muss seinen Stil und ein neues Thema finden. Die Leser aber haben - wenn er Erstling "eingeschlagen" hat - unrealistisch hohe Erwartungen. Sie erwarten so etwas wie eine Fortsetzung, in gleichen Art, aber mit anderem Inhalt.
Der erste Roman des schwedischen Schriftstellers Fredrik Bachman, "Ein Mann namens Ove", erschienen 2012 war ein Bestseller und wurde bereits verfilmt. Das Buch hat auch mich begeistert und ich habe es in der Rubrik "Gelesen" bereits vorgestellt. Inzwischen ist Backmans zweiter Roma erschienen.
Und?
Wiederholt sich der Erfolg des Erstlings? Erfüllt der zweite Roman die hohen Erwartungen? Ja - und Nein. Ja, weil er genau so witzig, genau so übe-rraschend, genau so gut beobachtet ist, wie
seine Geschichte vom schrulligen, bärbeissigen Ove mit seinem verborgen-guten Herzen. Auch diesmal geht es um einen "Sonderling", genauer um Elsa, die bald achjährig ist, aber "weiss, dass sie
anders ist!"
Eine vorwitzige, altkluge Göre, würde man sagen, wenn da nicht diese Märchenwelt, dieses Wegträumen in die wäre, wenn sich nicht die reale Welt und die reale Welt ständig begegnen, ja
überschneiden würden.
Und da wird die eingangs gestellte Frage von mir mit einem klaren "Nein" quittiert. Das Buch ist - allen poetischen Ansätzen zum Trotz - zu langfädig geraten. Die durchaus gewollten Wiederholungen - in kindlicher Manier - stossen an die Neven der Leser, die barocke Welt der Fantasie erreicht mitunter Rokoko im Quadrat, bis zur kitschigen Überspitzung. So, bei aller Begeisterung, meine Vorbehalte. Es lohnt sich also trotzdem das Buch zu lesen.
"Fredrile Backman, geboren 1981, war Journalist, Blogger, Gabelstaplerfahrer, Gastronomiehilfskraft und vieles mehr - heute ist er Familienvater und einer der erfolgreichsten Autoren Schwedens. Sein Debüt -Ein Mann namens Ove: eroberte weltweit die Herzen und die Bestsellerlisten und wurde mit Rolf Lassgärd fürs Kino verfilmt. Mit seinem zweiten Roman, -Oma lässt
grüßen und sagt, es tut ihr leid- zeigt Backman erneut seine schriftstellerische Vielfalt. In Schweden hat auch sein drittes Buch, sBritt-Marie war hier- schon wieder Platz 1 erreicht. Der Autor lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Solna bei Stockholm. Er muss immer noch daran arbeiten, es zu sagen, wenn ihm etwas leidtut."
03. März 2017
Gelesen:
Klara Obermüller
Spurensuche
Ein Lebensrückblick in zwölf Bildern
2016, Xantippe Verlag, Zürich
206 Seiten, ISBN 978-3-905795-42-4
Memoiren, Lebensbeichte, Erinnerunen, Autobiographie... Eigentlich ist dies - für mich - nur dann interessant, wenn sich darin ein Stück Historie - Weltgeschichte - verbirgt. Dies ist kaum der Fall bei Klara Obermüller, der Journalistin, Literatur-kritikerin, Autorin, Referentin und nicht zuletzt Persönlichkeit der Zürcher Kultur- und Kunstszene.
Vielleicht ist es, weil ich Klara seit gut fünfzig Jahre kenne, weil ich mit ihrem ersten Mann, Peter Obermüller, in Zürich Kunstgeschichte studiert habe, weil ich ihren zweiten Mann, den Schriftsteller Walter Matthias Diggelmann schätzte, sei es weil Klara dort einzog, wo ich ein Leben lang gearbeitet habe... Ich weiss es nicht.
Jedenfalls nahm ich da Buch zur Hand und wollte eigentlich nur das lesen, wo meine eigenen Spuren ansatzweise zu finden sind. Bei gemeinsamen bekannten, im gleichen oder ähnlichen oider ähnlichen Umfeld, in einer zumindest "verwandten" Biografie. Es kam anders.
Nein, den Versprechungen glaubte ich nicht. Auch wenn sie im Vor-Vorwort ganz am Anfang stehen: "Es ist keine Autobiografie. Es sind keine Memoiren. Es sind Bruchstücke von Erinnerungen..."
Was sind es dann? Es sind - und dies steht ganz am Schluss - auf dem hintern Buchdeckel - "zwölf einfühlsame und berührende Miniaturen..., die dazu anregen, selbst in die Vergangenheit einzutauchen und nach dem Kern des eigenen Wesens zu suchen."
Tatsächlich konnte und kann das Buch - oder besser: Büchlein - dies erfüllen. Es kann auslösen, anstossen, in die Tiefe weisen. Es erfüllt seinen Zweck und es ist zudem - was man dieser Art von Büchern nur selten attestieren kann - auch spannend, wenig redundant und vor allem ohne Moralin.
Ich kann mir vorstellen, dass die eigene Biografie ganz anders sein kann, das Leben ganz anders verläuft oder verlaufen ist; ich kann mir vorstellen, das Daten, Fakten und Orte ganz anders sind und man trotzdem das Buch "mit dem Kopf und dem Herzen" liest, um dann nicht gerade zu den Schreibutensilien zu greifen, aber nachzudenken über die eigene Biografie, die Frage, "was hat mich zu dem gemacht, was ist? Was hat mich zu der/dem gemacht, die/der ich heute bin?"
20. Dezember 2016
Etienne Davodeau
Wenn Wein und Comic sich begegnen
Originaltitel: Les Ignorants - Récit d'une initiation croisée
2011 Futurapolis, Paris
Deutsche Ausgabe: 2013 Egmont Graphic Novel, Köln
2. Auflage ISBN 978-3-7704-3728-3
"Für Comic-Liebhaber und Weintrinker gleichermaßen vergnüglich zu lesen und anzuschauen. Die Übersetzung ist auch gut geworden, was sicher nicht immer einfach war."
"Für einen erstmal nicht so spannend aussehenden Band ist dies ein ganz wunderbar erzähltes Buch. Sehr interessant und empfehlenswert für Zeichner, Weininteressierte, Franzosenversteher."
"Schöner Comic mit ebenso schönem Thema."
"War ein Geschenk und hat viel Freude bereitet. Bei dem Thema ist Schwarzweiss vielleicht nicht die beste Option - farbig wäre "lukullischer" gewesen."
"Auch hier tolle Zeichnungen mit Komik und Wein ein ganz elegante Verbindung ohne aufdringlich und belehrend zu sein. Mir hat es gefallen."
"Die beiden französischen Protagonisten des Buches, ein Comic-Zeichner und ein Winzer, gewähren sich gegenseitig Einblicke in ihre Kunst. Im Laufe eines Jahres lernt der Zeichner alles über Wein, vom Rückschnitt der Reben bis zur Vermarktung auf Messen, sowie der Winzer alles über die in Frankreich hochgeschätzte Comic-Kunst. Als Leser lernen wir von beidem."
Der Comic-Zeichner Étienne schlägt seinem
Freund Richard einen außergewöhnlichen
Deal vor: Der Winzer soll ihn in die Welt des Weins einführen, im Gegenzug bringt er ihm
die Welt des Comics nahe. Richard beginnt,
Étienne lernt, woran man gute Weine
erkennt. Wie Reben richtig beschnitten
werden, wie man Fässer für die Lagerung auswählt und welches die besten Anbau-methoden sind. Doch viel bedeutsamer als
das Insiderwissen, das sich die beiden
vermitteln, ist die Erkenntnis, dass ihre Professionen mehr gemeinsam haben, als
sie ahnten… (Quelle: Verlagsmitteilungen).
Die Zeichnungen sind komplett in Schwarz-Weiß gehalten, unaufdringlich und vermitteln auf angenehme Weise die gesammelten Eindrücke von E. Davodeau. Seine Texte haben einen feinen Humor, sind informativ und lassen an den Dialogen teilhaben. Ein dickes Comic-Buch, dass schnell gelesen ist."
"Der eine, Comiczeichner von Beruf, kann bei der Verkostung verschiedener Weine beim besten Willen nach ein paar Proben keinen Unterschied zwischen den einzelnen Weinen herausschmecken, ist somit was Wein angeht ein Ignorant. Und der andere, ein Winzer, ist irritiert über die autobiografischen Comics von Lewis Trondheim, weil er sich ebenda selbst mit Vogelschnabel zeichnet, und auch das Comic-Genie Moebius' will dem Winzer nicht so recht einleuchten. Weil auf den ersten Blick beide Lebenswelten, also die des Zeichners und die der Winzers, so gar nicht zusammenpassen, hat der Zeichner und Autor Ètienne Davodeau nun dennoch beide auf über 260 Seiten in Buchform gegossen. Herausgekommen ist mit "Die Ignoranten - Wenn Wein und Comic aufeinandertreffen" eine hochinteressante Lektüre."
"Davodeau begleitete für das Comic-Projekt über ein Jahr lang den ausgestiegenen Bänker Richard Leroy, der seiner Liebe für Weinanbau gefolgt ist, und nun biodynamisch seinen Weinberg betreut. So werden im Winter die Weinstöcke beschnitten, und es wird gezeigt, mit wieviel Handwerk und Liebe der Winzer seiner Passion nachgeht. Aber Leroy bekommt auch Einblicke in die Realität eines Comic-Zeichners. Er folgt Davodeau auf Comic-Messen und zu seinem Verlag, sieht, welches "Feintuning" in der Druckerei stattfindet und beuscht andere Comic-Schaffende in ihren Ateliers. Besonders gut gefällt mir der Gastbeitrag von Lewis Trondheim, der damit direkt die Frage Leroys nach den seltsamen Tierwesen in Trondheims autobiografischen Comics beantwortet.
"Die Ignoranten" ist ein höchst lesenswertes Comic geworden, das auch von Lesern, die für die Neunte Kunst wenig übrig haben, genossen werden kann. Die schwarzweißen und mit Graustufen versehenen Zeichnungen sind direkt und lebendig und passen zu der erdig-ehrlichen Geschichte hervorragend."
"Wer sich mit dem Thema Weinbau und Kellertechnik beschäftigt, aber nicht gleich in die Lehrbibliothek gehen möchte, findet hier eine interessante, aber auch sehr unterhaltsame Lektüre, die einen guten Start in das Thema bietet. Gleichzeitig erfährt man mehr über das Comic-Zeichnen und auch die Comic-Szene - das Ganze in einem toll gezeichneten und geschriebenen Buch, das Spaß macht, immer wieder zur Hand zu nehmen."
"Sicher ist jeder auf irgendeinem Gebiet ein absoluter Ignorant. Während der Comic-Zeichner Étienne Davodeau (“Lulu – Die nackte Frau“) kaum etwas über die Wein-Produktion weiß, kennt sich der Winzer Richard Leroy überhaupt nicht mit Comics aus. Das Konzept diese beiden "Ignoranten" zusammenzubringen, sich über ihre Arbeitsmethoden austauschen zu lassen und dies zu einem von Davodeau gezeichneten Comicalbum zu verarbeiten, klingt nur bedingt prickelnd. Doch das Resultat kann sich wahrhaft lesen lassen."
Auszüge aus Leserinnen- und Lesermeinungern auf Amazon
19. Oktober 2016
Marianne Pletscher
Marc Bachmann
Wohnen wir wie im Paradies?
Die Bernoullihäuser in Zürich
Lars Müller Publishers, Zürich
2016 ISBN 978-3-03778-502-7
Es gibt drei Gründe, warum dieses soeben erschienene Buch bereits hier - in der Rubrik "gelesen" - Einzug hält:.
1. Ich wohne selber in einer Siedlung, die aus einem Gemeinschaftsgedanken geboren
ist, und nun immerhin 40 Jahre - mit wenig Veränderungen - dem Wandel der Zeit
getrotzt hat.
2. Das Buch ist Werner Schneider gewidmet, der hier gelebt hat und mit dem ich viele
Stunden und Tage versucht habe, Fernehen "zu machen" - besser zu machen.
3. Das Buch beginnt nicht - wie fast alle Architekturbücher, die ich in die Hände
genommen habe, mit einer "Totalen", möglichst von oben, Vogelperspektive, wie
Menschen ihr Daheim nie sehen. Das Buch beginnt mit Menschen und es bleibt bei
Menschen, die in einer speziellen Architektur leben.
In einigen Tagen - wenn ich das Buch sorgfältig gelesen habe - wird in der Rubrik "Gelesen" eine Besprechung folgen, die dann mehr ins Detail gehen kann.
Saint-Denis liegt: in einer Flusslandschaft, die man als «Als „Wiege der Menschheit“ bezeichnet, wegen ihrer geschichtsträchtigen Vergangenheit.
Es sind keine literarischen Werke, es sind Genussbücher, dies ist das Spezielle daran. Ergänzt – nicht zufällig – von einem Kochbuch mit «Rezepten und Geschichten» aus dem Périgord.
Link zur Website von Bruno (deutsch)
Bruno ist wirklich Chef de Police und zwar in der halbwegs fiktiven Gemeinde Saint-Denis. Er heisst nicht Bruno und die Gemeinde auch nicht Saint-Denis. Es gibt sie doch (zumindest zum Teil naturgetreu) und liegt an der Dordogne im Périgord, im Südwesten Frankreichs. Acht Fälle hat er gemeistert – der wackere Dorfpolizist, der den Genüssen des Lebens gar nicht abgeneigt ist. Martin Walker hat sie – als Kriminalfälle – in acht Bücher gepackt… und es soll weitergehen, zumindest so lange, als Bruno in Saint-Denis lebt.
Eine Kriminalreihe, die süchtig macht. Nicht, weil sie so ausserordentlich ist, vielmehr, weil sie alltäglich daherkommt. überall sein könnte. Überall? Nein, eigentlich nur dort, wo
Es sind - ich habe es schon geschrieben - allesamt Genussbücher. Der Genus liegt weniger in den zwar spannenden, mitunter auch etwas allzu abgeschliffenen "Kriminalfällen", die sich nicht selten zu historischen Gemälden entwickeln. Martin Walker - ein Schotte - ist Historiker und Journalist, kein Kriminalroman-Autor. Doch seine Bücher beruhen auf historischen Fakten und Hintergründen und - dies ist das Besondere - sie spiegeln die Liebe zum Leben in einer wunderschönen - etwas vernachlässigten Region - etwas abseits vom Weinrummel im westlicher gelegenen Bordeaux.
links: Martin Walker, Pressekonferenz in Zürich
Ein Genuss ist auch das Kochbuch, das mit hervorragenden Fotos (Julia Watson), ausgezeichneten (regionalen) Rezepten und zwei kulinarischen Fällen für Bruno, Chef de police, aufwartet.
Gelesen:
"Ein Mann namens Ove"
von
Fredrik Backman
Es ist der Erstlingsroman des schwedischen Autors, der inzwischen noch zwei weitere Bücher veröffentlicht hat.
"Oma lässt grüssn und sagt, es gut ihr leid"
(2016, Fischer Taschenbuch, ISBN 978-3-8105-0481-4)
2016, Fischer Verlag, ISBN: 978-3-8105-2411-9
Die Geschichte von Ove ist verfilmt worden, mit Rolf Holger Lassgård in der Hauptrolle. Regie: Hannes Holm. Der Film wurde in den Städten bereits abgespielt, erlebt aber bei Open-Air-Aufführungen immer mal wieder ein Revival. So zum Beispiel in St. Gallen (Kantonsschulpark). Kritik:
"Ein Gutesgefühlfilm nicht nur für die Best-Ager"
Rolf Lassgård lässt seinen schwergewichtigen Charakter darauf mit einer unglaublichen Leichtigkeit tänzeln, kippeln. Nie wird dieser Ove zu jener Karikatur, zu der er eigentlich die besten Voraussetzungen mitbringt.Ist natürlich einer jener Filme, mit denen man in jüngster Zeit verstärkt versucht, die zahlungskräftige Gruppe Bestager in die Lichtspielhäuser zu holen und davon abzuhalten, sich von ihren Kindern und Enkeln erklären zu lassen, wie das mit dem Filmstreaming geht. Er sieht aber auch gut aus. Und man fühlt sich irgendwie besser danach. Weil man es wieder einmal geschafft hat, ein Scheusal liebzugewinnen. Und weil der Blockwart sich als Mensch erweist. Was ja Hoffnung macht für die Zukunft. Nicht nur in Schweden." (aus "Die Welt", 08.April 2016)
16. Juni 2015
Meine Weltenreise von der Querschnittlähmung zum aufrechten Gang
von Edith Gloor
Eine kurze Mail hat mich daran erinnert. Meine Rubrik "Gelesen" ist fast leer, schrecklich leer. Zwar stehen an die 4000 Bücher an den Wänden meines Arbeitszimmers. Nicht alle, aber viele davon gelesen, irgendwann einmal. Zum Beispiel Werner Bergengruen, als Dichter fast vergessen, doch ein „begnadeten Erzähler“, der in seinen Novellen und Romanen menschliche Schicksale beschrieben hat. Darauf hat sich Edith Gloor in ihrem Buch "Holy Shit" direkt bezogen. Dies hat mich angesprochen, erinnert, zum Lesen angeregt.
Zum Buch von Edith Gloor:
Gebundene Ausgabe, 256 Seiten,
erschienen im Scorpio Verlag.
Preiis in der Buchhandlung 26.90
ISBN 978-3-95803-005-3
Werner Bergengruen (1892– 1964)
(Bergengruen schrieb Romane, Erzählungen, Gedichte und Übersetzungen, die sich durch die Sprache und den spannungsreichen Aufbau auszeichnen.) Hier das gekürzte Gedicht (Vergilbte Jahre), das in
Edith Gloors Buch so etwas wie ein Angelpunkt darstellt.
"Vergilbte Jahre starren von den Wänden
des Bildersaals, den ich so rasch durchmessen,
wie schien er reich an Glanz und Augenblenden.
....
In einer Nuss fand ich das Weltgefüge
und noch im rostigsten der Kettenglieder,
im trübsten Bildwerk des Gottes Züge.
Jetzt blasst die Farbe. Schliesst die Augenlider
dem Vielgewanderten, dem Bildersatten!
Ich klage nicht. Ich strebe nicht dawider
und füge mich zu rühmlicheren Schatten."
(Werner Bergengruen, 1964)
Hier die Leseprobe zu der Passage mit dem
Bergengruen-Gedicht
Ein Gespräch mit der Autorin auf SHF (Schaffhauser Fernsehen) Vorfahren bis nach den
News!
23. Januar 2013
Watson online
Das neue "revolutionäre" Newsportal ist onlin. Es setzt neue Masstäbe in der News-Vermarktung.
Die Redaktion fiebert mit und verfolgt gebannt, ob watson erreichbar ist.
22. Januar 2014
Watson.ch goes online. Initiator und Chefredaktor Hansi Vogt zum ersten Mal auf Watson.ch. Das Video!
Erste spontane Reaktionen:
Nick Hartmann: "Liebe watson_news Marcher. Ihr habt Mut. Und das gefällt mir."
WWW Schweiz: "Oh, mit watson_news gibt's eine neue Art - wir mögen grosse Biodiversität"
Victor Giacobbo: "watson_news bereits zu Favoriten hinzugefügt - great expectations..."
Peter Hogenkamp: "Alles Guite. watson_news sieht toll aus."
Viktor Giacobbo @viktorgiacobbo
@watson_news Bereits zu Favoriten hinzugefügt - great
expectations...
30. Januar 2013
„Vinum“ – Europas Weinmagazin - neu lanciert
Man hat es rauschen gehört, nein nur leicht säuseln, das Sesselrücken beim ursprünglich schweizerischen Weinmagazin „Vinum“. Ich kenne keine Hintergründe, bin als Weinliebhaber seit vielen, vielen Jahren einfach „nur Leser“ – besser noch: Abonnent. Ich habe die „Auf und Ab“ des Magazins erlebt, aus geistiger Ferne registriert, was sich da so tut. Absoluter Tiefpunkt war – für mich – der stille Abgang einer Chefredakteurin, die mit und für das „Vinum“ nicht nur gearbeitet, auch gelebt hat. Sie war verwurzelt in der Schweizer Weinszene, hat sicher Fehler gemacht, wie andere vor und nach ihr auch. Dass die Tragödie dann tödlich endete, hat mit „Vinum“ nichts zu tun – es war ein rein privates Drama. Wie sich „Vinum“ verhalten hat, als es darum ging, der ehemaligen Chefredakteurin würdig zu gedenken, war für mich auch „Vinum“ gestorben. Pietätlos, habe ich damals in einem Kommentar – hier – bei Wein-Plus geschrieben.
Die neue Chefredakteurin – von Gnaden des neuen Zeitschriften-Besitzers eingesetzt – blieb eine Aussenseiterin in der schweizerischen Weinszene. Wo immer ich mich da bewegte – sie stand ausserhalb des Geschehens, auch in der Diskussion, auch im Small-Talk in Sachen Wein, auch da wo es einfach darum ging, die Weinszene zu beleben (nicht einmal zu prägen). Das konnte nicht gut gehen! Offensichtlich – Hintergründe kenne ich wie gesagt nicht – ist es auch nicht gut gegangen. Thomas Vaterlaus – gut verankert in der Schweiz – den „Vinum“-Lesern ein fester Begriff, nein ein fester Wert, ist aus der „Diaspora“ – Vinum Deutschland – als Chefredaktor in die Schweiz zurück gekehrt.
Die Vorboten waren längst da. Wenn ein kritische Geist, wie der umtriebige Starblogger Dirk Würtz, unter dem Titel „Auflagen-Gau“ die Wein-Zeitschriften-Szene kritisch (und treffend) analysiert und schreibt: „Die “VINUM” – von mir in jüngster Vergangenheit sehr geschätzt – kommt gerade einmal auf 10.649 Exemplare und selbst ……“ Für einmal waren es da nicht die Fakten (die Auflagezahlen), die gerauscht haben, es war die Aussage: „…. VINUM - von mir in jüngster Vergangenheit sehr geschätzt…“, die mich vor einigen Tagen aufhorchen liesse. Da tut sich was.
Es dauerte keine Woche – Insider haben es natürlich längst gewusst – rückten die Chefsessel und ein „neues“ Vinum präsentiert sich. Eine Zeitschriftenkritik ist noch viel zu früh – es sind nicht viel mehr als einige Blicke, die ich in die „neue“ alte Zeitschrift geworfen habe. „Die Chardonnay – Welt steht Kopf“ – ein attraktives Thema, attraktiv präsentiert und – in der Schweizer Ausgabe – auf dem Titelbild drei Signalbegriffe (für Schweizer): Martin Suter, erfolgreicher Schriftsteller, Ottenberg, ein attraktives Rebgebiet der Ostschweiz, klein aber innovativ und Bordeaux 2010. Dies kann selbst einen enttäuschten – oder ernüchterten – „Vinum“-Abstinenten wieder zum Lesen animieren – und dies ist schon recht viel.