Festspiele 2024

Berliner Volksbühne © Luna Zscharnt
Berliner Volksbühne © Luna Zscharnt

05. Juli 2024

 

Berliner Volksbühne
am Rosa-Luxemburg-Platz:

 

Karl May

von Enis Maci und Mazlum Nergiz

 

Es ist die Zeit der Karl-May-Festspiele auf rund 15 grossen und kleinen Freilichtbühnen im deutschsprachigen Raum. In den vergangenen Jahren habe ich nahezu alle Aufführungen hier auf sammlerfreak.ch begleitet, sei es als Vorschau, mit einem Bericht oder einer Kurzkritik. Darauf möchte ich dieses Jahr verzichten und mich auf aktuelle Meldungen beschränken. Spezielle Aktionen, Ehrungen, Zuschauerzahlen etc.

Hinweis auf eine Aufführung an der Berliner Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz in Berlin. Die Uraufführung fand allerdings schon im Dezember 2023 statt. Jetzt ist auch das Buch dazu in der Edition Suhrkamp erschienen. Ich werde es im Rahmen der "Neuerscheinungen" (in der Karl-May-Sammlung) vorstellen und nach der Lektüre auch besprechen. Ich finde, es ist ein Lichtblick in der neueren Karl-May-Literatur, weil es einen neuen Weg markiert, wie man das Thema Karl May auch angehen und vermitteln kann. Leser und Leserinnen, die noch mit Karl-May-Geschichten aufgewachsen sind, mögen die Nase rümpfen: "Die Leseprobe habe ich überflogen... da ist einiges drin, womit ich nichts anfangen kann und was an biografischen Daten zu May dort auftaucht, nun ja, die kennt man eh und zudem ist da manches nicht ganz korrekt", eine Stimme aus dem Karl-May-Forum. Ich gehöre längst auch zu dieser eher konservativen Karl-May-Generation, bin aber ganz anderer Ansicht.

Dieser Abend geht der Sache auf den Grund: Was hat es auf sich mit dem Lügen und dem Überleben? Was trennt den Fake von seinem Vorbild? Und wann steht sie endlich, die Autobahn vom wilden Kurdistan bis ins Land der Skipetaren? Mit dabei: ein Autor, der sich für den Helden seiner eigenen Romane hält. Gebirge, die in Sachsen liegen, aber Utah meinen. Und ein nicht abreissender Strom von Zerrbildern über das Fremde.

Karl May zoomt rein in Landschaften, die schöner nicht sein könnten. Alles Show, alles wahr.

Ich mal die Welt an meine Zellenwand. Ich mal und übermal sie tausendmal. Und jetzt – jetzt fließt der Euphrat durch die Börde. Und das Mittelgebirge meiner Kindheit wird zum Rückgrat Amerikas. Ich erreich, NEIN: ich erschreib mein Reich. Ich setz ein Wort aufs Papier und es fällt mir leicht.


Mit: Ann Göbel, Oscar Olivo, Martin Wuttke

Live-Musik: Maximilian Weber

Text & Regie: Enis Maci, Mazlum Nergiz

Bühne: Leonard Neumann

PRATER STUDIOS: Nina von Mechow, Leonard Neumann

Kostüme: Martha Lange  -  Licht: Florian Brückner - Video & 3D-Animation: Wassili Franko  - Musik & Sounddesign: Maximilian Weber  -  Dramaturgie: Johanna Höhmann

Diese Träume mögen ängstigen, doch ICH träume sie, ICH, von höchster Intelligenz, ICH von tiefster Herzensbildung, ICH, von größter Fitness, ja. Vertrau mir, Mann! ICH bin Old Shatterhand. ICH bin Kara Ben Nemsi, ICH spreche zwanzig Sprachen, ICH habe einen Doktor in Philosophie, ICH habe die Jesiden gerettet, ICH hab Paul Galingré gerächt, ICH hab den Ölprinz kaltgemacht, ICH dichtete die Dächer des Pueblos mit seinem zähen Blut ab, ICH schied Untermensch von Edelmensch, ICH schied Recht von Unrecht, ICH blickte aus dem Fenster des Zuchthauses und ich sah – 

Stellungnahme: Es ist dies ein anderer Umgang mit Karl-May-Texten, eine andere «Annäherung» an ein Kulturgut, das die übliche Unterhaltungs- und Belehrungs-Absicht sprengt. Vielleicht gewöhnungsbedürftig, ich weiss es nicht. Jedenfalls eigenständig und kreativ. Ich benutze nicht das abgegriffene Wort "zeitgeistig", als viel besser in unsere Zeit passend. Dem Empfinden, der Kommunikation und der Technik unserer Zeit nahe. Nicht ein Hochloben oder eine Verachtung dessen, was vor mehr als hundert Jahren literarisch geschaffen (und bewundert wurde). Ein kultureller Ansatz, der sich lohnt und Neues bringen kann. 

10. Juli 2024

 

Rezension in der TAZ

Karl May an der Berliner Volksbühne: Assoziationen zum Wilden Westen

 

Enis Maci und Mazlum Nergiz durchforsten das Werk Karl Mays. Sie finden viele Stereotype. Toll immerhin, wie Martin Wuttke dazu raucht.

"Der klassische Westernrundhorizont ist aufgebaut, mit Kakteen im Vordergrund, Bergen ganz hinten und viel Sand dazwischen. Die Bühne wird von einem mechanischen Rodeo-Bullen beherrscht. Ann Göbel, einst bei der Volksbühnenjugendtruppe P 14 bühnenreif geworden, wird später auf dem Bullen sitzen und ihn locker reiten.

Martin Wuttke hingegen lungert noch im Schatten des Pults herum, von dem aus er in einigen Minuten den Bullenkörper springen, bocken und zu den Seiten ausbrechen lassen wird – auf dessen Rücken dann Göbel trotz aller mechanischer Wildheit des Ungetüms unter ihr weder die Lässigkeit der Körperhaltung noch die Nöligkeit des Sprechens verliert, was durchaus eine Leistung ist..."    Den ganzen Artikel hier lesen