Die tägliche Rubrik Engelberg aktuell ist abgeschlossen.
Sie kann noch immer hier aufgerufen werden.
Die Organisatoren der Festspiele in Engelerg verabschieden sich:
"Seid gegrüsst, liebe Blutsbrüder und -schwestern
Am Sonntagnachmittag, 13. August 2017, feierte die Freilichtinszenierung «Winnetou 1» beim Wasserfall in Engelberg Derniere. Die Produktion auf einer der grössten und schönsten Naturbühnen Europas mit über einem Dutzend namhafter Schau-spielerinnen und Schauspieler aus der Schweiz und aus Deutschland sowie über 50 Komparsen aus der ganzen Zentralschweiz liess bei so manchen Besucherinnen und Besuchern Kindheitserinnerungen aufleben. Insgesamt zählten die Karl May Freilichtspiele Engelberg 24’000 Zuschauer.
Wir bedanken uns herzlich bei Ihnen, sehr verehrtes Publikum. Auch bei Wind und Wetter haben Sie begeistert mitgemacht. Der Dank gilt auch allen wetterfesten Indianern, Cowboys und Westernstadt-Bewohnern auf der Bühne, allen Komparsen und Helfern, der Tourismusorganisation, allen Partnern, den Behörden und den lokalen Unternehmen sowie allen Engelbergerinnen und Engelbergern. Sie haben das Fundament für den Erfolg dieser Produktion gelegt.
Das Abenteuer geht weiter: Im Herbst beginnen bereits die Vorbereitungen für die nächste Produktion. Im Sommer 2018 möchten wir wiederum beim Wasserfall in Engelberg «Winnetou II» aufführen – ebenfalls als Schweizer Premiere.
Nochmals herzlichen Dank für den Besuch und bis bald!
OK Karl May Freilichtspiele Engelberg"
Theaterbesprechung
von Peter Züllig
Winnetou I
auf der Freilichtbühne in Engelberg
Bilanz: Vieles ist schon gesagt worden, fast ausschliesslich mit grossem Lob, dem ich mich durchaus anschliessen kann. Und doch sind – im theaterspezifischen Bereich – einige Anmerkungen zu
machen.
Der wichtigste positive Aspekt – in den meisten Urteilen aus Karl-May-Kreisen – ist die besondere Nähe zum Original. Dies mag für Karl-May-Kenner zutreffen, für die Mehrheit der Besucher ist es
aber ziemlich irrelevant.
Theater ist ein anderes Medium als ein Buch (Roman) und untersteht anderen dramaturgischen Gesetzmässigkeiten. Dies haben wir schon eindrücklich bei den «klassischen» Filmen der 60er Jahre (wieder ein ganz anderes Medium) erlebt. Die Nähe zum Original und den zahlreichen bisherigen Adaptionen (Theater, Film, TV, Comics etc.) ist für die Spannung, Stimmigkeit und Geschlossenheit eines Theatererlebnisses nicht von Bedeutung. Es sind andere Punkte, die zählen: Dramaturgie, Erlebniswert, Ausdrucksstärke, Logik, Verständlichkeit, mediale Umsetzung etc..
In diesen Punkten hat die Aufführung auch Schwachstellen, die vermeidbar wären, zumal eine Freilichtaufführung auf einer riesigen «Bühne» nochmals anderen Gesetzmässigkeiten untersteht, als beim
konventionellen (Bühnen)-Theater.
Wichtige Ausdrucksformen des Theaters fallen weg, reduzieren oder verändern sich. Zum Beispiel die die Mimik, ein zentrales Element beim Spiel auf der Bühne. Sobald eine gewisse Distanz zum
Zuschauer erreicht wird, fallen theatralische Elemente weg oder bleibt in «grossen Gesten» stecken. Dazu gehört auch die Sprache (Rhetorik), die mikrofonbedingt anders wirkt oder anders sein
muss. Ein anderes Element ist der Wechsel von Nähe und Distanz: Nähe wo etwas intim sein muss, Distanz bei signifikanten Bewegungen, Massenszenen etc.
Dies alles ist meist eine Frage der Inszenierung und/oder des «Drehbuchs». So kommt Santer (nicht nur wegen des guten Spiels) in den Beurteilungen ausgezeichnet weg: prägnant, hochzuross, eindeutig in der Kleidung (schwarz/weiss) stolz-verschlagen in den Gesten. Anderseits geht die Seelennähe, die Liebe und Tragik von Nscho-tschi verloren (sogar von einer Fehlbesetzung wird gesprochen), weil das Leise, Zarte, Verspielte (gerade in der Wildwesthandlung – mit Gewalt und Tod) viel mehr Nähe, Vertrautheit, Eindeutigkeit, Emotionalität braucht. Dies aber wurde in der Inszenierung verwehrt. Der Doppelmord an Nscho-tschi und ihrem Vater Intschu Tschuna ist zwar handlungsmässig «richtig», verhindert aber die Empathie der Zuschauer zur wunderschönen, im Original auch sehr kurze, inhaltlich aber wichtigen Funktion einer unerfüllten Liebe (da geht der Film ganz anders mit der Rolle um).
Die Massenszenen, Kernstück einer jeden Inszenierung auf «grosser Bühne», scheinen ab und zu auf, werden nicht von technischen Spielereien und Superaktivitäten (Stunts, Reiterkünste etc.) erschlagen, sind aber viel zu rar. Da wäre durch ein konsequenteres Spiel von Nähe und Distanz noch einiges herauszuholen.
Ähnliches ist auch von der Verbindung und Verknüpfung der beiden Spielstätten (Pueblo und Wildwest-Stadt) zu sagen (dies geschieht fast nur durch die Reiter und die Auftritte). Die für die
Handlung entscheidenden Szenen entwickeln sich links (vor der Tribüne 1), in grosser Distanz zur Tribüne 2. Eine daraus resultierende Konsequenz: Tribüne 1 ist voll besetzt, Tribüne 2 fast leer
(zumindest bei späteren Aufführungen, als sich die Anordnung der Spielhandlungen herumgesprochen hat.)
Ein Plus zu vielen anderen Freilicht-Karl-May-Aufführungen ist hingegen die Konsequenz mit der auf eine Botschaft hin gearbeitet wird, auf die Friedensbotschaft, die durch einige Szenen –
nicht zuletzt durch den Schluss – wunderschön inszeniert ist und einige der inszenatorischen Ungereimtheiten oder Ärgerlichkeiten vergessen macht.
Insgesamt muss an der Inszenierung – bei einem allfälligen nächsten Projekt vor der wunderschönen Naturkulisse – noch gefeilt und verbessert werden. Dies ist gilt nicht nur für die Inszenierung, genauso auch für die Erarbeitung des Scripts, das noch stärker grossbühnentauglich sein muss. So könnte Engelberg durchaus zu einer weit herum beachteten, schweizerischen Karl-May-Heimat werden. Zu einem Bijou unter den mehr als zehn alljährlich stattfindenden Karl-May-Festspielen im deutschsprachigen Raum.